Türen knallen. Freche Antworten hallen durch das Haus. Tränen fließen. Bitterböse Blicke. Es wird gestampft. Gemotzt. Und wütend abgezogen.
Im nächsten Moment ist alles wieder gut. Es wird gefragt, ob geholfen werden kann. Es wird sich angekuschelt. Und am Ende des Tages heißt es dann schon mal „Mama, vorhin hab ich Dich ganz schön gehasst, aber jetzt hab ich Dich wieder lieb“. 

Anfangs war ich leicht irritiert. Wo ist meine kleine Prinzessin hin und wer ist dieses zickige Monster? Wie kann sie eben noch ein kuscheliges Schmusekätzchen und im nächsten Moment ein stacheliger Igel sein? Doch sie zeigte es immer wieder: es geht!

Die Stimmungsschwankungen der Prinzessin sind legendär.
Gutes Wetter. Wir packen die Taschen für’s Freibad. Sie cremt sich ein, schlüpft schon einmal in den Tankini, um gleich direkt ins Wasser zu können und wartet ungeduldig, bis ich endlich alles im Auto verstaut habe und wir los können. Unterwegs unterhalten wir uns. Alles ist gut. Plötzlich schweigt sie. Wirkt motzig. Im Freibad angekommen möchte sie direkt wieder umdrehen. Schwimmen ist doof. Alles ist doof. Langweilig. Und „Bock“ hat sie sowieso keinen.
Mittelprächtiges Wetter. Sie möchte gleich etwas raus, vorher nur noch ein paar Kapitel des spannenden Buches lesen. Sie kuschelt sich auf der Couch an mich. Wir lesen jeweils das eigene Buch. Plötzlich springt sie auf. Das Buch fliegt im hohen Bogen. Landet auf der Couch. Bücher sind doof. Dieses ganz besonders. Lesen ist sowieso ganz blöde. Und überhaupt. Tränen fließen, sie motzt und stampft nach oben. Ich lasse ihr ein wenig Zeit, schaue dann vorsichtig vorbei. Frage, was denn passiert ist. Ob wir sonst gemeinsam lesen sollen. Vorlesen geht ging eigentlich immer. Nö. Bücher sind immer noch doof. Vorlesen noch viel dööfer. Babykinderkram. Sie möchte ihre Ruhe.
Schlechtes Wetter. Wir wollen etwas basteln. Sie denkt nach. Kurz helfe ich ihr bei der Ideenfindung. Wir googeln gemeinsam. Während sie durchschaut, bereite ich alles vor. Sämtliche Bastelutensilien stehen zur Verfügung. Sie entscheidet sich, malt etwas auf, beginnt mit dem Ausschneiden. Dann wirkt sie lustlos. Schnibbelt so vor sich hin. Zerstört ihre selbstgemachte Vorlage. Möchte nun doch nicht basteln. Basteln ist doof. War es schon immer.

Die Ausraster der Prinzessin sind beängstigend.
Ich hole sie direkt nach der Schule ab. Mittagessen und Hausaufgaben Zuhause. Danach viel Zeit zum Spielen. Ein Ausnahmetag. Sie freute sich bereits im Vorfeld tierisch. Ein absolutes Highlight. Bei den Hausaufgaben kommt sie gut voran. Hat keine Schwierigkeiten. Benötigt keine Hilfe. Ich wusele derweil im Haushalt herum, mache Kram. Plötzlich höre ich ein „Orrrrrrrrr MANN!!!“, die gesamten Unterlagen werden vom Tisch gefegt. „Sch.eißmistblöde Hausaufgaben! Mathe ist sch.eiße! Ich hasse Schule!“ Ein paar Mal werden das Heft und der Schnellhefter aufgehoben, um nochmal auf den Boden gepfeffert zu werden. Stifte lernen fliegen. Lautes weinen („Wuääääh!“). Jemand stampft nach oben.
Wir sind im Garten. Kurz vor dem Abendessen. Ich sage ihr Bescheid, dass ich nach oben gehe, das Abendessen zubereite und sie dann holen werde. Sie hat noch 20-30 Minuten Zeit. Als ich sie nach der abgesprochenen Zeit rufe, motzt sie ein wenig – verständlich. Es wäre sooo kurz gewesen und das Wetter sei so toll. Dennoch macht sie sich auf den Weg nach oben. Ich warte. Nichts. Es klingelt. Ich öffne. Eine weinendwütende Prinzessin steht vor mir. Mamas sind das blödeste, was es auf der Welt gibt. Und Schlüssel erst. Schlüssel sind noch viel blöder. Doofblödemistsch.eiße.

Das sind nur einige der täglich vorkommenden Situationen. Manchmal gibt es mehrere am Tag, dann wieder ist tagelang alles in Ordnung.
Ich möchte mich eigentlich gar nicht beschweren. Die meisten Phasen hat die Prinzessin bislang nicht wirklich durchlebt. Ob nun die Fremdel- oder die Trotz-Phase – wir sind verschont geblieben. Sie war immer ein absolut liebes Kind. Sie hörte bei der 1. Ansage. Wollte alles sehr detailliert erklärt haben und konnte dann gut mit den Tatsachen umgehen. Sie rebellierte nicht. Sie motzte nicht. Sie schlug nicht um sich.
Im Grunde genommen war sie schon immer ein sehr ruhiges und zurückhaltendes Kind. Ein Kind, welches jegliches Schimpfen meinerseits zu vermeiden versuchte. Zwar sagte sie es nie, doch ich hatte immer das Gefühl, dass sie „schimpfen“ mit „streiten“ gleichsetzte und befürchtete, ich könne sie irgendwann auch „nicht mehr lieb haben“ – wie ER und ich damals. Ich habe immer versucht ihr das Gegenteil zu zeigen. Wenn es doch mal etwas zu schimpfen gab, so war es danach selbstverständlich auch wieder gut. Sie wurde immer geknuddelt und geherzt, da gab es keinerlei Zusammenhänge.
Ich gehe davon aus, dass die Prinzessin eben dies nun – endlich – verstanden hat. Dass es völlig egal ist WAS sie macht, ob ich mit ihr nun schimpfen muss oder nicht, dass sie Zuhause, bei ihren Eltern, immer lieb gehabt wird. Und deshalb lässt sie nun ihren Gefühlen freien Lauf.
Das ist auch gut so. So soll es sein. Zuhause, der Ruhepol, der Ort der Sicherheit.

Dennoch ist das für den Liebsten und mich oftmals nicht ganz einfach. Die Ausraster und die Stimmungsschwankungen kommen aus heiterem Himmel und verziehen sich genauso schnell wieder. Im Alltag deutlich belastender sind die Motzattacken. Ständig schnaubt sie wütend. Die höflichsten Aufforderungen werden mit verschränkten Armen, aufstampfen, motzen und Tränen quittiert. Wir passen genau auf, wie wir etwas formulieren. In welchem Tonfall wir etwas anbringen. Doch das Ergebnis ist jedes Mal das Selbe: Eine wutschnaubmotzende Prinzessin.

Zuletzt setzte ich mich zur Prinzessin und versuchte ihr zu vermitteln, wie blöd diese Stimmung ist. Wie unschön es ist, immer und ständig angemotzt zu werden und wie sie es denn fände, wenn wir so mit ihr reden würden. Sie sah es sein – na klar, einsehen kann sie gut – doch es änderte sich nichts. Es wird weiterhin gemotzt und gestampft und geweint.

Wir versuchen es zu überhören, setzen aber auch einen Riegel davor, wenn es zu schlimm wird. Ist sie patzig und übernatürlich frech, gibt es eine Auszeit. Zumeist kommt sie dann von alleine und entschuldigt sich um dann… ganz bald… das Spielchen von vorne zu beginnen.

Vorpubertät - Schild - Kinderzimmer

Das sind die extrem auffallenden Veränderungen während dieser Vorpubertät – wie mir diese Phase von einer Bekannten benannt wurde. Viele weitere, kleinere Veränderungen gehen in der Prinzessin vor und wir merken immer wieder: Sie wird groß!
So erkennt man an ihrem Zimmer oftmals nicht so recht, ob dort nun ein Teenie oder ein Kind lebt. Auf dem Bett liegen die Lieblingskuscheltiere, während sich unter der Matratze ein Tagebuch verbirgt. Im Bücherregal teilen sich die Pferde-, Tier- und sonstige Kindergeschichten den Platz mit Liebeskram und anderen Verworrenheiten. Pink und Rosa sind süß, Totenköpfe und Teenie-Klamotten aber total cool. Es wird davon geträumt außerhalb Karnevals geschminkt in die Schule zu gehen. Mal möchte sie Zeichentrick im TV ansehen, dann wird nach Teenie-Sendungen gefragt. Verabredungen mit Freunden sind wichtiger als alles Andere. Ebenso aber auch die Frage, was die Freundinnen von ihr halten, ob die Klamotten die sie trägt, auch cool genug sind und wie sie allgemein auf ihre Freunde wirkt.
Noch ist die Prinzessin nicht ganz beratungsresistent. Noch kann man mit ihr reden. Noch versucht sie kritisierte Dinge umzusetzen. Noch hat sie eine ganz ähnliche Wertvorstellung wie wir und sieht Fehlverhalten ein. Noch.

Was uns bleibt? Geduld. Kommunikation. Und ein wenig Angst. Angst vor der richtigen und echten Pubertät. Das kann ja heiter werden.