Kurz nachdem Jona auf der Welt war und das letzte Wintersemester zu Ende ging, führte ich mit Mo unterschiedliche Gespräche über die Zukunft. Über Familienplanung, unsere Ausbildung und zukünftige Jobs in den Bereichen. Über Vereinbarkeit, Familienzeit und Fremdbetreuung der Kinder. Mo war frustriert, weil er gefühlt ewig vor sich hin studierte und nicht gut voran kam.

Zum einen natürlich dadurch, dass wir beide studieren und die Kinder nicht anderweitig betreuen lassen. Zum anderen aber auch, weil es bei ihm so mittelgut lief. In den praktischen Modulen, Referaten und Kolloquien hatte er durchweg grandiose Noten. Bei den Modulen mit Klausur-Abschluss sah das anders aus. Hinzu kommt, dass er für sehr wenige Punkte viel anwesend sein muss. Und wenn er ein- bis zweimal im Semester fehlte, war das Verpasste kaum aufzuholen.

Außerdem unterhielt er sich mit mehreren Leuten aus der Wissenschaft und war ernüchtert: Der Freund, der mit ihm zusammen Bio studiert, mittlerweile den Master hatte und immer sehr für seinen Bereich brannte, brach seine Promotion zugunsten eines handwerklichen Berufs ab. Er promovierte sowieso nur, weil er mit dem Master keine Anstellung fand, obwohl er räumlich ungebunden war. Der befreundete Doktor (Chemie) ist seit Jahren arbeitssuchend und hält sich mit Aushilfsjobs in berufsfremden Bereichen über Wasser, weil er durch die Familie lokal gebunden ist.
Alles keine wirklich rosigen Aussichten…

Planänderung – was tun, statt Studium?

Mo wollte nicht noch mehrere Jahre studieren, promovieren und dann trotzdem ohne Job dastehen. Er überlegte, was er sich sonst noch vorstellen könnte. Dabei ging er sämtliche Möglichkeiten durch: Die Firma, in der er seit Jahren Ferienarbeit macht, würde ihm sofort eine Lehrstelle anbieten. Er könnte eine Zusatzqualifikation erwerben und mit seinem Bachelor in Bio arbeiten. Dann kam die Idee von einer Ausbildung, die eigentlich immer nahe lag, welche er aber nie in Erwägung zog. Diese Idee vertiefte sich erst nach Gesprächen mit der Schwiegerfamilie, denn sie bedeutet erst einmal Investitionen. Hohe Investitionen. Im 5-stelligen Bereich. Und das will gut überlegt und durchgerechnet sein.

Willst Du das wirklich? Dann schaffen wir das auch.

In den Gesprächen gestand er sich ein, dass er sich das wirklich gut vorstellen könnte, aber nicht weiß ob und wie wir das schaffen. Die Ausbildung setzt einen weiteren Führerschein voraus. Außerdem ist die nächste Fachschule dafür in Köln. Mit dem Auto gute 500,-€ monatlich an reinen Benzinkosten, mit dem Zug über 300,-€ und mit über 3 Stunden Fahrt für eine Strecke verbunden. Die Ausbildung findet 5, bei einer weiteren Qualifikation auch 6, Monate in Vollzeit statt und er wäre täglich von 5.00 bis 18.45 Uhr aus dem Haus.

Ohne weiter darüber nachdenken zu müssen sagte ich, dass wir einen Weg finden, wenn er das wirklich will. Warum auch nicht? Wir stärken uns immer gegenseitig den Rücken und unterstützen den Anderen in seinem Vorhaben. Er zögerte nicht mir seine Unterstützung zuzusichern, als ich das Abitur nachholen wollte. Ich ebenso wenig, als sich für ihn eine Gelegenheit bot, seine Forschungsarbeit über das Studium hinaus weiter zu führen. Auch wenn das für den jeweils anderen Einschränkungen oder mehr Care-Arbeit bedeutete. Einander den Rücken frei halten, das gehört in einer Partnerschaft einfach dazu.

Elternzeit: erst er, dann ich

Da die Ausbildung zweimal im Jahr beginnt – im April und Oktober – und die Zeit für den Start im April zu knapp war, einigten wir uns darauf dass er dann auch keine Kurse an der Uni belegt und ich stattdessen möglichst viel mache. Das hab ich auch getan und hatte einen vollen Stundenplan. An 4 Tagen in der Woche hatte ich volles Programm. Ursprünglich wollte ich am 5. und 6. Tag mein Praktikum machen, aber da Lotte ständig Termine im Krankenhaus hatte und ich dafür auch irgendeinen Tag frei brauchte, hab ich es auf das Ende des Studiums geschoben.

Dann war das Sommersemester vorbei und wir wollten tauschen. Mo macht Vollzeit die Ausbildung und ich kümmere mich um Kinder, Haushalt und was sonst noch so ansteht. Ursprünglich war mein Plan trotzdem noch weiter zu studieren und die Vorlesungen von zuhause aus zu verfolgen, um am Ende die Klausuren schreiben zu können. Aber vorerst lasse ich auch das bleiben, weil ich merke, dass das einfach zu viel ist.

Ausbildung statt Studium – und die Finanzierung?

Ein großes Fragezeichen war die Finanzierung der Ausbildung. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Förderung und darum wollte Mo sich bemühen. Dann begann ein Behörden-Krimi, wie wir ihn uns nicht hätten ausdenken können.

Behörde A schickte uns zu Behörde B, die uns zurück zu A verwies. Nach fast vollständiger und wochenlanger Bearbeitung überlegte sich Behörte A aber, dass B doch zuständig sein müsste und die Bearbeitung begann von vorne. Kurz vor knapp fiel Behörde B ein, dass es auch noch Behörde C gibt und wenn die einsteigt, wäre doch A zuständig. Es war zum Mäusemelken doch am Ende – nach Fristablauf und diversem Trallala – hatte Mo endlich die Zusage für die Finanzierung des Großteils. Wohohooo!

mein Studium – to be continued in 2019

Ein bisschen Sorgen mache ich mir um mein Studium schon. Da sind einige Fragen, die erst die Zeit beantworten wird. Werde ich es schaffen da wieder einzusteigen? 2 Jahre Pause ist schon eine ziemlich lange Zeit. Und wie wird das Studium handelbar sein, wenn Mo fix im Beruf ist?
An seine theoretische Ausbildung knüpft noch ein Praktikum an. 6 Monate. Eine weitere Prüfung und dann darf er in dem erlernten Beruf arbeiten. Aber sowohl in der Praktikumszeit, als auch im späteren Berufsleben wird er die Betreuung von Jona nicht integrieren können. Zumindest nicht in der Form, wie es im Studium möglich war. Jona kann aber erst mit 2 Jahren, also im Kindergartenjahr 2019/20, ins Kinderhaus.

muss das denn sein?

Einige Stimmen fragten, ob wir Jona nicht doch fremdbetreuen lassen sollten. Oder ob ich ihn nicht mit zur Uni nehmen könnte. Das eine wollen wir nicht, das andere geht nicht.
Wir sind der Meinung, dass Jona – bis er 2 Jahre alt ist – bei seinen Eltern am besten aufgehoben ist. Außerdem ist eine Betreuung für so junge Kinder hier gar nicht so einfach. Bei uns im Umkreis gibt es nur sehr wenige und aktuell keine freien Tagesmütter. In der nächsten größeren Stadt innerorts kaum und für außerhalb fahre ich zu viel. Mit an die Uni kann er auch nicht, weil dort die Devise der meisten Dozenten „Man darf das Baby sehen, aber nicht hören.“ ist und das klappt einfach nicht.
Eine Möglichkeit wäre die Uni-Interne Betreuung. Da können sowohl Babys, als auch später Kleinkinder betreut werden. Aber hier ist wieder der Punkt der wechselnden Bezugspersonen, das wollen wir nicht. Daher ist die Betreuung durch mich die beste Lösung an dieser Stelle.

Geh mir weg mit „Vereinbarkeit“

Ich sehe diesen Weg auch nicht kritisch oder sonst irgendwie zweifelhaft. Wenn wir Kinder bekommen, gehen wir viele Kompromisse ein. Wir wissen, dass die Nächte kürzer werden und nur noch selten bis gar nicht ohne Unterbrechung auskommen. Wir verlieren unsere Privatsphäre, Zeit für uns selbst, die penibel ordentliche Wohnung. Wir geben Hobbys auf, können nur noch selten ausgehen und spontan verreisen schon mal gar nicht.

Für mich gehört auch ein Kompromiss im Job bzw. Studium dazu und mich nervt die ständige Diskussion um Vereinbarkeit von Beruf und Familie mittlerweile enorm. Klar gibt es Bereiche, in denen Veränderungen unbedingt nötig sind, das will ich gar nicht abstreiten. Aber solange die Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind, müssen wir den für uns besten Weg wählen. Und mein Mann und ich sind uns da einig: Die Kinder gehen vor Karriere. Vermutlich wird sie dann nicht mehr so steil, wie die der kinderlosen, aber das ist es uns wert. Auch wenn wir uns jetzt einschränken müssen, sowohl finanziell als auch persönlich, doch für alles weitere ist auch später noch Zeit. Und bis dahin sind wir mit dem zufrieden, was wir haben.