Als ich mich für die Schule angemeldet habe war mir zumindest ungefähr klar, was ich mit dem Abi machen möchte: Je nachdem, ob die Universitäten der Umgebung es anbieten, wollte ich Grafikdesign oder Fotografie studieren. Mich in meinem Traumberuf verwirklichen.
Bis letztes Jahr. Da schaute ich mich gezielt nach Unis um, die in Frage kämen und musste feststellten, dass keine in der näheren Umgebung auch nur einen der beiden Studiengänge anbietet. Die einzige Alternative läge 1 Autostunde entfernt und wäre eine nicht BAföG förderfähige Privatuniversität, bei der die Monatsbeiträge schon in die Tausende gingen – untragbar für uns.
Nun war ich also völlig planlos, wusste überhaupt nicht mehr, was ich mit dem Abi machen soll. Handelsfachwirtin hatte ich mal angedacht, aber das eigentlich auch nur, weil meine Ausbildung dann nicht völlig sinnlos wäre. Nahe liegend wäre noch, aufbauend zu studieren. Aber da wäre das Studienfach BWL. Seien wir mal ehrlich, jeder studiert BWL. Das ist für mich dann auch nichts. Hinzu kommt, dass ich in diesem Bereich auch nicht mehr arbeiten möchte. 

Und dann kam der Tag, an dem ich mich mit einem Klassenkameraden darüber unterhielt und er mir erzählte, was er studieren wird, in welchen Bereichen er damit arbeiten kann und wie das alles läuft. Das war dann der Zeitpunkt, zu dem es bei mir Klick machte. Etwas soziales. Ja warum denn nicht?!
Mit 16 habe ich ein Praktikum in der Kinder- und Jugendhilfe gemacht. Ich fand es wahnsinnig interessant, wusste aber auch, dass für diesen Beruf ein Studium nötig ist. Das Thema hat sich allerdings schnell wieder erledigt, denn: Studium? Ich? Haha! In meiner Familie hat genau einer studiert – und ich habe eine wirklich große Familie! Die meisten haben einen Hauptschul- oder, im besten Fall, einen Realschulabschluss. Da ist ein Abitur oder Studium einfach undenkbar. Und da die Familie den einzelnen Menschen in der einen oder anderen Hinsicht auch prägt, schreckte ich damals vor dem Gedanken zurück.
Damals. Heute ist aber nicht damals. Heute habe ich nichts mit meiner Familie zu tun und lebe mein eigenes Leben. Ganz bewusst. Warum soll ich mich dann nicht auch beruflich – ganz bewusst – für einen eigenen Weg entscheiden? Genau, warum?

Komisch war der Gedanke daran anfangs allerdings schon ein wenig. Eine abgeschlossene Ausbildung ist in meiner Familie bereits eine Rarität gewesen und ich durfte mir häufig anhören, was ich denn für eine Rabenmutter sei, dass ich nicht Daheim bei meinem Kind geblieben bin. Die vollen 18 Jahre. Im Idealfall. Ich machte mir Gedanken, ob ein Studium mit Kind und Familie so gut vereinbar ist. Ob ich wirklich ausreichend Zeit für die große Tochter UND für das Studium haben würde. Zumal ich jetzt schon häufig aufwändige Hausaufgaben zu erledigen habe. Zeit, in der die Tochter zurück stecken muss. Macht man das? Wäre das nicht auf Kosten des Kindes?
Ich dachte nach. Besprach es mit dem Liebsten und dachte weiter nach. Und bin zu dem Entschluss gekommen: Ja, ich werde studieren. Auch die große Tochter wird nicht so arg zu kurz kommen, wie ich anfangs befürchtete. Denn mein Wunsch-Studienfach hat zumeist nachmittägliche Vorlesungen, der Liebste hingegen ist – bis auf eine Ausnahme – nur vormittags an der Uni. Das passt also ganz gut. Außerdem ist die große Tochter dann 11 Jahre alt und zumeist selbst bis zum Nachmittag in der Schule. Große Bespaßungsaktionen sind schon jetzt nicht mehr gewünscht, da sind Freunde und Unternehmungen mit ihnen wichtiger – das wird später gewiss nicht weniger werden.

Anders als geplant
Zunächst ging ich davon aus, dass ich mich in diesem Studienfach auch mit der Fachhochschulreife einschreiben kann, stellte kurz vor Ende des 4. Semesters aber fest, dass dies nur bedingt der Fall ist. Dies geht zwar, erfordert aber zwei weitere Bedingungen.
1. Eine Eignungsprüfung muss abgelegt werden. Alternativ muss beim Durchschnitt der FHR die Mindestnote 2,7 erreicht sein.
2. Es muss ein Nachweis der studiengangbezogenen Eignung erbracht werden. In meinem gewählten Studienfach gibt es dazu 3 Möglichkeiten, die ich aber alle nicht erfülle.

Universität - studiengangbezogene Eignung

Tja. Also musste ich meinen ursprünglichen Plan, mit der Fachhochschulreife von der Schule zu gehen, kippen und mache nun doch das volle Abitur. Statt Ende Januar fertig gewesen zu sein, werde ich im Oktober meine schriftliche und im Dezember meine mündliche Abiturprüfung ablegen und mich dann zum Wintersemester 2015 an der Uni einschreiben, denn für Studienbewerber mit Vollabi gilt es nur den NC zu erreichen und das werde ich ja wohl schaffen. Yeah!

Heute bin ich froh, mich von meiner Familie gelöst und mein eigenes Ding auf die Beine gestellt zu haben. Andernfalls wäre ich nun vermutlich unglücklich verheiratet, Mutter von 4 Kindern und meinem Mann absolut hörig. Aber das ist eine andere Geschichte und soll an anderer Stelle erzählt werden.