Alexandra – Mutter von 3 Kindern

 

Alexandra ist 35 Jahre alt und Mutter von zwei Jungen und einem Mädchen (4 Jahre, 6 Monate). Als sie nach langer Kinderwunschzeit endlich schwanger war, konnte sie ihr doppeltes Glück gar nicht fassen. Die Schwangerschaft verlief problemlos, es gab keine Komplikationen und die Klinik sprach sich für eine natürliche Geburt aus. Alexandra machte sich keine Gedanken um einen Kaiserschnitt, weil immer alles gut war.
Die Geburt ihrer Zwillinge hinterließ ein schweres Trauma bei ihr, nach dem sie therapeutische Begleitung brauchte. Erst die Geburt ihres zweiten Sohnes versöhnte sie mit den Geschehnissen der 1. Geburt komplett.

Heute ist Alexandra dankbar für die schnelle Reaktion der Hebamme und Ärzte, Dank derer ihre Tochter heute überhaupt noch lebt. Doch der Stempel, der „Kaiserschnitt-Müttern“ oft aufgesetzt wird, nervt sie sehr.

Ich bin Alexandra, 35 Jahre alt und Mutter von 3 Kindern. Jonas* und Annika* sind 4 Jahre alt, Justus* kam vor einem halben Jahr auf die Welt. Ich möchte meine Geschichte erzählen, weil ich die Stigmata, mit denen „Kaiserschnitt-Mütter“ oftmals behaftet sind, abscheulich finde und mit meiner Geschichte verdeutlichen will, dass es oftmals keinen anderen Weg als den eines Kaiserschnitts gibt!

Bevor ich mit den Zwillingen schwanger wurde, hatten wir eine schwierige Zeit. Ich setzte für den Kinderwunsch die Pille ab und dachte schnell schwanger zu werden. Doch daraus wurde nichts. Nach 3 Jahren ohne Erfolg meldete ich mich in einer Kinderwunschklinik an, wo mein Mann und ich auf den Kopf gestellt wurden, aber physisch lag nichts vor. Beim Endokrinologen kam heraus, dass ich eine Schilddrüsenunterfunktion habe, die wir aber schnell in den Griff bekamen.

Im Urlaub war mir immer mal übel und ich fühlte mich ganz komisch, schob das aber auf meine Seeuntauglichkeit. Es passte auch gut zur Kreuzfahrt. Zuhause machte ich irgendwann doch einen Test und war ganz überrascht, dass der positiv ausfiel.

Die erste Vorsorge erfolgte ganz bald, noch in der selben Woche unserer Rückkehr. Auf dem Bildschirm sahen wir, was mir die Übelkeit bescherte: Zwei kleine Fleckchen, die prächtig entwickelt waren. Meine Gynäkologin war ein bisschen verhalten, wir geschockt, dass uns das Glück gleich doppelt trifft! Ich meine, wir wollten ein Baby und unterwegs waren nun zwei!

 

Aber der Schock war schnell verdaut und wir freuten uns einfach sehr auf die nächsten 9 Monate.

Die Schwangerschaft verlief absolut problemlos, ich nahm nicht so viel zu, wie ich vermutet hätte und war die ganze Zeit über sehr fit. Bis in den 7. Monat hinein konnte ich sogar zum Sport, ich machte Joga und fühlte mich mit der Kugel richtig wohl.

Die Anmeldung zur Geburt war auch sehr positiv. Die Babies lagen sehr früh in Startposition, es gab keine Komplikationen oder frühzeitige Wehen, sodass wir eine ganz normale Geburt planten.
Natürlich hatte ich auch Angst vor der Geburt. Ich wusste nicht wie sich Wehen anfühlen und fürchtete, wir würden zu spät losfahren. Aber ich wollte auch keinen Fehlalarm auslösen und zu früh in die Klinik.

die Geburt startet

Diese Ängste waren aber ganz umsonst. Den Unterschied von Senkwehen zu echten Wehen merkte ich direkt. Sie setzten morgens ein, während mein Mann noch bei der Arbeit war. Ich rief ihn an, sagte ihm aber, dass es mir noch gut geht und ich meine beste Freundin zum Kaffee einladen wollte, damit ich nicht alleine war. Witzigerweise war sie auch schwanger und hatte ihren Entbindungstermin fast exakt einen Monat nach mir.

Jedenfalls kam sie vorbei, wir tranken Kaffee, quatschten und ich machte noch einige Handgriffe im Haushalt. Ich packte die letzten Sachen in die Klinikasche und putzte noch schnell über das Bad. Immerhin würde das für eine Weile mit so viel Ruhe nicht mehr möglich sein, wenn die Zwillinge da sind.

Wehen, Wehen, Wehen

Gegen 14 Uhr rief mein Mann irritiert an. Er hatte damit gerechnet, dass ich ihn nach Hause ordern würde, aber noch ging es mir gut. Ich veratmete zwischendrin immer wieder eine Wehe, ohne dass ich das Gefühl gehabt hätte, ich müsste in die Klinik.

Eine Stunde später verabschiedete sich meine Freundin und weitere 30 Minuten darauf kam mein Mann von der Arbeit. Nun merkte ich langsam, dass ich los möchte. Die Wehen wurden intensiver, dauerten länger an und hatten kürzere Abstände. 5 Minuten lagen noch dazwischen. Da die Klinik aber im Grunde zu Fuß erreichbar war, machte mir das keine Sorgen.

Gegen 16 Uhr schloss ich die Haustür. Im selben Moment platzte eine Fruchtblase, was mich nun doch ein wenig stresste. Ich wusste, dass Wehen nochmal intensiver werden, sobald die Fruchtblase geplatzt ist und so war es dann auch. Zwischen 4 Wehen schaffte ich es ins Auto, wo mein Mann ein Handtuch auf dem Sitz ausgelegt hatte. Er fuhr mich direkt vor die Kliniktüre und holte einen Rollstuhl, damit fuhren wir hoch zum Kreißsaal, wo uns Petra* schon erwartete.

Sie schaute kurz in den Mutterpass, untersuchte den Muttermund und machte ein CTG. Zwischen den Wehen erklärte sie mir, dass der Muttermund bereits bei knapp 9 cm sei und es nicht mehr lange dauern würde, bis die Babies auf die Welt kommen.

Jonas ist da

Nach dem CTG lief ich ein wenig durch den Kreißsaal, hielt mich mal am Fensterbrett, mal am Seil fest und veratmete Wehen. Irgendwann fühlte ich einen starken Druck nach unten und setzte mich vor meinen Mann auf den Gebärhocker. Petra untersuchte während einer Wehe nochmal den Muttermund und meinte, ich könnte mit drücken, wenn ich das Bedürfnis dazu hätte. Keine Minute später hatte ich das dann auch prompt und drückte mit.

Bei der nächsten Wehe merkte ich, wie Jonas tief ins Becken rutschte und eine weitere Wehe später fing Petra ihn schon auf. Er war so winzig, schrie sofort aus Leibeskräften. Es war Liebe auf den ersten Blick!

Annika kommt – oder nicht?

Kurz konnte ich ihn bestaunen, dann kam die nächste Wehe und Petra nahm Jonas wieder. Zwischenzeitlich war ein Kinderarzt ins Zimmer gekommen, der ihn ihr abnahm.

Diese nächste Wehe fühlte sich aber ganz anders an. Ich hatte einen reisenden, stechenden Schmerz, es brannte und ich schrie. Petra fühlte nochmal, ob auch das zweite Babie schon tief im Becken liegt und ich glaubte zu sehen, wie ihr Gesicht eine Nuance heller wurde. Mein Mann jedenfalls sagte später, dass sie bleich wurde. Ich sah sie nur zum Telefon rennen, wo sie irgendwas rein sprach. Davon bekam ich aber nicht viel mit, denn die nächste Wehe kam gewaltig. Gleichzeitig fühlte ich es warm werden zwischen meinen Beinen und sah nach der Wehe einen großen Schwall Blut. Alles war voller Blut, die Matte unter mir, der Gebärhocker, einfach alles.

Im nächsten Moment sagte Petra auch schon zu mir, ich müsse mich aufs Bett legen, die Ärzte seien sofort da. Während mir mein Mann rüber half, kamen sie auch schon rein gestürmt. Einer legte mir den Zugang, der Arzt sagte während dessen etwas von quer liegendem Babie und Ablösung der Plazenta. Wir mussten in den OP und zwar schnell.

Schon wurde ich rüber geschoben. Es ging alles schnell, ich hatte überhaupt nicht verstanden, was da los war. Eine nächste Wehe bekam ich nicht mehr mit, weil der Anästhesist mir etwas spritzte und ich eine Maske aufgelegt bekam – dann war ich ausgeknockt.

nach dem Kaiserschnitt – die Erklärung

Als ich wieder wach wurde, hatten wir späten Abend. Mein Mann saß mit im Zimmer, Jonas lag in seinem Bettchen neben ihm, während Annika auf der Neugeborenenintensiv-Station überwacht wurde.

Wir klingelten nach einer Schwester, weil ich unsagbaren Durst hatte und fragen wollte, ob ich etwas trinken darf. Ich durfte. Kurze Zeit später kam der operierende Arzt nochmal rein und erklärte, was passiert war:

Jonas‘ Fruchtblase war geplatzt und er kam ganz problemlos auf die Welt. Annikas Blase war noch intakt. Als Jonas raus war, hatte Annika viel Platz und drehte sich prompt in Querlage. Bei der nächsten Wehe löste sich die Plazenta ab, eine natürliche Geburt war unmöglich, der Kaiserschnitt unumgänglich. Hätte Petra nicht noch einmal gefühlt und meinen Bauch abgetastet (das hatte ich gar nicht mehr im Kopf), wäre Annika vielleicht nicht am Leben oder hätte mindestens schwere Schäden davongetragen.

der Kaiserschnitt – es ging schnell

Obwohl Jonas natürlich und Annika per Kaiserschnitt geboren wurde, liegen zwischen den beiden knapp 10 Minuten. Jonas kam um 16.44 Uhr, Annika um 16.53 Uhr auf die Welt. Beide wogen unter 2,5 kg, waren aber ansonsten fit. Annika hatte einen schlechteren Abgar-Score. Nach der Geburt atmete sie sehr flach, war bläulich und hatte eine verminderte Herzfrequenz, weshalb sie auch überwacht wurde. Zum Glück hat sich das innerhalb von 24 Stunden absolut normalisiert und sie konnte mit zu Jonas und mir ins Zimmer.

…und wie ging es mir?

Als am Tag der Geburt Ruhe eingekehrt war, ich Jonas auf meiner Brust liegen hatte und Annika schmerzlich vermisste, flossen bei mir die Tränen. Die ganze Anspannung fiel langsam ab. Die Ereignisse kamen an und ich konnte gar nicht fassen, wie viel Glück wir hatten.

Ich blieb für 2 Wochen in der Klinik. Den Babies ging es gut, sie hatten sich schnell erholt. Bei mir sah das aber anders aus. Vor dem Kaiserschnitt und auch bei der OP selbst habe ich viel Blut verloren. Ich bekam eine Transfusion, mein Eisenwert war natürlich im Keller und ich fühlte mich total schlecht. Auch als wir schon zuhause waren, war ich lange eingeschränkt, konnte kaum laufen, war immer wieder schwach. Zum Glück hatte mein Mann direkt Elternzeit, aber so konnten wir die erste gemeinsame Zeit auch gar nicht genießen.

Zurück bleibt ein Trauma

Aber ich hab die Geburt auch nicht einfach so verdaut. Sie verfolgte mich bis in die Nächte, ich konnte nicht einschlafen oder wurde schreiend wach. Bei der Vorsorge bei meiner Gynäkologin hab ich das 6 Wochen später widerwillig erzählt und sie empfahl mir, eine Therapie zu machen. Erst wollte ich nicht so recht, viele Frauen erleben schlimmeres und meine Babies leben und haben keinerlei Schäden. Doch dann hab ich eingesehen, dass es so nicht weiter gehen kann und suchte mir einen Therapeuten. Ungefähr um den 1. Geburtstag herum hatte ich mein Trauma vollständig überwunden.

Bei der Rückbildung, beim PEKIP, beim Babyschwimmen – überall da, wo Mütter zusammen kommen, bekam ich direkt einen Stempel aufgesetzt. Immer wieder hörte ich – hinter vorgehaltener Hand natürlich – dass ich es mir einfach gemacht hätte. Dass ich den leichten Weg gegangen sei und der Kaiserschnitt sicherlich mein Wunsch war. Aber selbst wenn ich meine Geschichte erzählte, gab es noch doofe Kommentare. Eine Mutter meinte sogar mal zu mir, das sei halt die natürliche Selektion und ich musste an mich halten, ihr keine Ohrfeige zu verpassen. So eine Frechheit!

Es lässt sich leicht reden vom hohen Ross, wenn alles gut gelaufen ist, wenn keine Probleme auftraten und der Natur der freie Lauf gewährt werden konnte. Manchmal geht es aber nicht anders, manche haben es nicht so einfach und können auf problemlose Geburten zurückblicken. Wieso müssen sich Mütter so anfeinden und ihre Geburt so hoch preisen, dabei aber keine andere akzeptieren? Immer wieder erlebe ich, dass nur der eigene Weg als gut und richtig dargestellt, während alles andere verteufelt wird. Man darf die Geburt nicht einleiten lassen, man darf keine Schmerzmittel nehmen, man darf dies nicht, man darf jenes nicht. Jede Frau darf das, was ihr gut tut und für sie richtig ist. Punkt!

Herzlichen Dank, liebe Alexandra, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast! <3

* Namen geändert