Nach der ersten, sehr großen, Freude über den positiven Schwangerschaftstest kamen auch Spekulationen, ob sich da wohl ein kleines Töchterchen oder ein Söhnchen auf den Weg zu uns gemacht haben mag. Doch die Spekulationen sollten ein Weilchen anhalten, denn meine Ärztin weigerte sich lange, etwas dazu zu sagen. Nicht einmal eine Tendenz ließ sie sich abluchsen.

Während der Wartezeit auf ein Outing erinnerte ich mich an die erste Schwangerschaft. Meine damalige Ärztin veranlasste eine Fruchtwasseruntersuchung, die ganz deutlich zwei X-Chromosomen als Ergebnis hatte. Für mich brach eine Welt zusammen, denn ich wusste überhaupt nicht, was ich mit einem MÄDCHEN sollte, hatte mich absolut auf einen Jungen vorbereitet und war völlig überfordert. Nur Jungsnamen hatte ich parat. In meinen Gedanken spielte und tollte ich mit meinem SOHN auf dem Spielplatz. Da war kein Platz für ein prinzessinhaftes Mädchen mit langen Haaren.
Aufgewachsen bin ich als älteste Schwester unter Jungs. Immer war ein Junge mein bester Freund und nie hatte ich einen – irgendeinen – Draht zu einem Mädchen. Wie sollte ich nun also eine Mädchenmama werden? Ich hass(t)e alles Pinke und war schon mit meinen eigenen Haaren überfordert!

Es dauerte ein paar Tage, bis ich mich dann letztendlich damit anfreundete. Und es war wirklich nur ein Anfreunden. Kein freudestrahlendes Erwarten. Ich nahm es hin und harrte der Dinge, die da kommen mögen. Was konnte ich denn auch anderes tun? Das Baby ist ein Mädchen. Punkt. Aus. Ende. Da gab es einfach keine Diskussion.

…und dann spürte ich dieses Mädchen treten. Sie hielt mich nachts wach. Sie hatte Schluckauf. Sie zeigte mir, dass sie DA war und ich verliebte mich in sie. Hals über Kopf. Einfach so. Weg waren die Zweifel um das Pink und die Haare. Schließlich wird mich niemand dazu zwingen, ihr irgendwas Pinkes anzuziehen. Mit dem Haarthema würde ich mich wohl noch auseinandersetzen müssen, aber es ist noch kein Mädchen mit Pferdeschwanz auf die Welt gekommen. Ich strich die Gedanken aus meinem Kopf und freute mich auf mein Baby. Mein Mädchen.
Als sie dann auf der Welt war, wurde aus Verliebtheit Liebe. Richtige, echte, große Liebe. Wie das halt so ist, wenn man ein Baby bekommt. ♥

Und das Pink? Meine Tochter war schon immer ein echtes Mädchen. So richtig, mit allem drum und dran. Egal wie sehr ich rosa verabscheute, sie liebte es. Und sie forderte es. Also beugte ich mich. Und mittlerweile habe ich sogar selbst ein paar rosa Teile im Kleiderschrank. So kann’s gehen.


Bei der zweiten Schwangerschaft war alles ein bisschen anders.
Ich bin keine 18 mehr, sondern 28. Ich bin nicht ungeplant schwanger geworden, sondern wir haben ein ganzes Weilchen darauf warten müssen.
Es dauerte ein bisschen, aber natürlich stellten wir uns bald die Frage, ob ein kleiner Stammhalter oder noch eine Prinzessin unterwegs ist. Wir sprachen darüber, was wir uns wünschen würden. Und schnell sagte ich mir, aber DIESMAL würde es doch ein Junge werden, oder? Der Wunsch nach einem Jungen war also immer noch da. Doch würde ich diesmal wieder so enttäuscht sein, wenn es kein Sohn wird? Oder ist es nur ein leiser Wunsch? Ich hörte in mich hinein und wusste es nicht so recht. Viele Mütter berichten von einem Gefühl für das Geschlecht, doch ich habe mich damals getäuscht und hab diesmal schlicht keins. Was also denken? Was fühlen?

Und dann geschah etwas, das ich niemals für möglich gehalten hätte: Mir wurde die Geschlechtsfrage schlicht und einfach egal. Ich meine wirklich egal, nicht nur dahergeredet. Schon beim 1. Kind erwarteten alle das obligatorische „HauptsacheGesund“-Gefasel. NATÜRLICH ist das die Hauptsache, aber mal abgesehen von der Frage, ob ein ungesundes Baby nun weniger Wert ist, kann man gegen Gefühle nun einmal auch nichts ausrichten. Und es ist ein absolutes Tabuthema offen zuzugeben, dass das Outing erst einmal Tränen verursachte, statt Freude über die Gesundheit.

Ich hörte immer wieder in mich hinein. Machte mir Gedanken über das „Was wäre wenn?“ und stellte fest, dass es mir nun wirklich, wirklich, WIRKLICH egal ist. Ich liebe dieses Baby. Egal ob es ein Babymädchen oder ein Babyjunge ist. Ich liebe es jetzt schon. Mit allem drum und dran. Punkt.
Ein Sohn wäre schön, dann würde ich mich auch mal als Jungsmama ausprobieren. Bei einem zweiten Mädchen wiederum weiß ich, wie es geht. Hab ich schon, also ist alles bekannt.

Tja und dann kam das Outing. Ein wenig Angst hatte ich im Vorfeld schon. Denn was ist, wenn ich mir das Egal nur einrede? Als Selbstschutz oder sowas? Werde ich doch wieder enttäuscht sein? Tief in mir drin?
Doch als der Arzt uns sagte, welches Geschlecht unser Baby hat, war es mir immer noch egal. Keine Enttäuschung, aber auch kein Jubel. Denn dass es ein BABY wird, wussten wir ja schon vorher.
Wir haben diesen kleinen Menschen außerdem zuvor 45 Minuten strampeln und zappeln sehen. Es hat Fruchtwasser geschluckt, die Fingerchen bewegt und sich an die Plazenta gekuschelt. Es trat gegen den Ultraschallkopf und wackelte mit dem Pöppes. Wie konnte es da noch wichtig sein, ob es ein Männlein oder Weiblein ist? Ob mit oder ohne Schniedel, dieses Baby ist wunderbar perfekt, so wie es ist. ♥