In der Schwangerschaft habe ich mir keine großen Gedanken zum Stillen gemacht. Für mich stand einfach fest: Ich stille. Punkt.
Ich hab mir, auf Anraten der Hebamme, das Stillbuch besorgt und darin geschmökert. Es las sich alles so herrlich einfach, logisch und machbar. Und ich habe mich sehr darauf gefreut, mein Baby selbst ernähren zu können. Die Vorteile liegen ja auch auf der Hand: Mal abgesehen davon, dass es nachweislich das gesündeste für das Baby ist, ist es auch noch herrlich einfach. Ich hab immer alles dabei, muss nicht tausendfach Fläschchen auskochen, spülen und vorbereiten. Und dann natürlich die innige Bindung, das viele Kuscheln und die Intimität, die das Stillen für Mutter und Kind bedeutet.
Zwar hab ich einige wenige Fläschchen für das Heldenmädchen besorgt, diese aber nur zur Sicherheit und eher für den Tee später. Ich bin da ganz gerne vorbereitet.
Dass sich das ganze dann aber so schwierig gestaltet, damit habe ich nicht gerechnet…

mein Stillen

Direkt nach der Geburt hab ich das Mädchen noch im Kreisssaal angelegt und es hat einfach wunderbar geklappt. Sie hatte einen starken Zug drauf und ich staunte, wie kräftig mein kleines Baby doch schon ist.
Auch als wir auf Station waren, habe ich sie regelmäßig angelegt. Sie schlief aber viel und lies sich nicht so gut wecken. Trotzdem versuchte ich immer wieder sie anzulegen. Und ich war erstaunt, wie gut das klappte. Wie schon bei der ersten Geburt hat mir auch diesmal niemand gezeigt, wie ich sie richtig anlegen muss, aber es hat einfach von alleine geklappt.
In der 1. Nacht habe ich das Mädchen ins Kinderzimmer gegeben. Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber sie hat noch ständig Fruchtwasser ausgespuckt und ich konnte wegen des eingeschränkten Bewegungsradius nach dem KS nicht schnell genug bei ihr sein.
Ich holte die Schwester aber erst sehr spät, um Mitternacht herum und sie nahm mein Mädchen mit. Nur 2 oder 3 Stunden später brachte sie sie mir aber zurück, weil sie Hunger hatte. Ich legte sie für etwa eine Stunde an, sie schlief ein und ich ließ sie wieder abholen. Als sie mir wenig später ein zweites Mal gebracht wurde, behielt ich sie gleich bei mir. Es war halt nur sehr umständlich. Ich konnte mich nicht viel bewegen, sodass sie nicht mit in meinem Bett bleiben konnte. Wenn sie also unruhig wurde, spuckte oder weinte, musste ich immer auf die Schwester warten, bis sie sie mir geben konnte.
Am nächsten Tag fing es an kompliziert zu werden. Das Mädchen hatte großen Hunger, auch nachdem ich sie angelegt hatte. Ich versuchte es immer wieder und hatte sie eigentlich ständig an der Brust, aber sie brüllte nur. Die Schwester der Frühschicht bot mir dann an ihr Primergen zu geben. Das hätte sie schon nachts bekommen. Ich fiel aus allen Wolken, denn davon wusste ich nichts. Hätte man mich gefragt, hätte ich abgelehnt. Meine Kritik tat die Schwester ab. Das Zeug sei eh nicht nahrhaft.
Den Tag über legte ich sie ständig an, aber sie saugte nur kurz gierig, zappelte, boxte und brüllte dann und wollte die Brust nicht mehr. Wenn ich sie dann doch nochmal dran bekam war sie so erschöpft vom Brüllen, dass sie nach ein paar Mal saugen wieder einschlief und sich nicht wecken lies. Auch nicht mit wickeln, ausziehen oder sonst was. Das ging den ganzen Tag so. Entweder sie brüllte oder sie schlief.
Am nächsten Abend hatte ich emotional einen absoluten Tiefpunkt. Das Mädchen hatte großen Hunger, aber es klappte einfach nicht. Sie saugte kurz gut, dockte dann ab und bekam es nicht wieder hin anzudocken. Egal was ich versuchte. Ich klingelte nach der Schwester, die mir ganz lieb zur Seite stand. Sie half mir, mich im Bett gut zu positionieren, brachte mir Stillhütchen und nochmal Primergen, um das Mädchen ein wenig auszutricksen. Damit sie einen Anreiz zum Saugen hat, tropfte sie mir etwas von dem Zeug auf die Brustwa*rze. Die Kleine dockte wieder gierig an, nach kurzer Zeit aber wieder ab. Es brachte auch nicht viel, etwas davon ins Stillhütchen zu tropfen und sie so anzulocken. Es war immer das selbe Spiel: Sie dockte an, saugte kurz, verlor sie wieder, schaffte es nicht erneut anzudocken und brüllte. Bis zur Erschöpfung. Dann konnte sie auch nicht mehr vernünftig saugen, weil sie fertig war. Verschwitzt und erschöpft lag sie in meinem Arm, wimmerte im Schlaf. Das brach mir das Herz. Dieser kleine Mensch hat doch einfach nur Hunger und bekommt nicht genug, um satt zu werden. Ich war absolut verzweifelt, wollte mein Baby doch nur satt und zufrieden machen. :(
Am 4. Tag knickte ich ein. Nachdem ich das Mädchen im Kinderzimmer gewaschen und gewogen hatte, legte mir die Oberschwester nahe zuzufüttern. Sie hatte 330 g abgenommen und das sei grenzwertig. Ich wand ein, dass das noch nicht die 10% (wären 488 g) seien, aber sie hatte das Totschlagargument auf ihrer Seite „Soll ihr Baby etwa hungern???“. Also legte ich sie erst an, gab ihr dann die Flasche und setzte darauf, dass es Zuhause und mit viel Ruhe schon klappen wird.
Zumal ich zu dem Zeitpunkt gefühlt noch keinen Milcheinschuss hatte. Die eine Schwester sagte mir, ich würde es definitiv deutlich merken. Die nächste war überzeugt, ich hatte ihn schon. Die Hebamme sagte, es sei grad am Kommen. – Nach der Beschreibung von erfahrenen Müttern, hab ich ihn gefühlt bis heute nicht gehabt. Wenn ich einen Milcheinschuss hatte, hab ich ihn jedenfalls nicht mitbekommen.

Wie dem auch sei. Zuhause jedenfalls erhoffte ich mir mehr Ruhe und war optimistisch, dass wir es schaffen können. Erst wollte ich direkt nach der Entlassung noch Säuglingsnahrung besorgen, ließ es aber bleiben. Weil: Ich wollte ja stillen.
Aus der Klinik Zuhause angekommen schlief das Mädchen erstmal. Dann hatte sie Hunger. Ich legte sie an. Sie dockte an, saugte 2-3 Minuten, dockte ab und brüllte. Alles wie gehabt also. Ich versuchte es stundenlang, aber es änderte sich nichts. Nur dass das Mädchen zwischendrin einschlief, weil es so erschöpft war. Am Abend hab ich aufgegeben und der Mann bereitete ihr ein Fläschchen zu. Wir hatten 3 oder 4 Probepäckchen da. Zum Glück.
Als am nächsten Tag die Hebamme da war, legte ich sie mit ihr zusammen an. Auch damit sie mal drüber schaut, ob ich irgendwas falsch mache. Aber es war alles soweit richtig. – Ich erzählte ihr davon, dass ich bei der Großen damals ähnliche Probleme hatte, von meiner damaligen Hebamme den Stillmarathon empfohlen bekam und es bereute, das nie ausprobiert zu haben. Wir sprachen über die emotionale und körperliche Belastung so eines Marathons und ich entschied mich zunächst dafür, diesen am nächsten Tag einmal auszuprobieren. Nachdem die Hebamme aber weg war, gab ich dem Mädchen keine Flasche mehr und wollte es doch noch am selben Tag beginnen. Je früher, desto besser und so.
Ich bekam in dieser Zeit so unzählbar viele Tipps zum Thema Stillen. Ob nun Stillhütchen, Finger-Feeding, das Brusternährungs-Set, den Stillmarathon, unterschiedliche Stillpositionen, die Stillberatung, Nerven behalten und durchhalten oder Bonding – ich hab das Meiste sogar ausprobiert und war am Ende nur noch fertiger, als vorher. Emotional wie körperlich. Mein Baby hatte Hunger und brüllte und ich wollte un-be-dingt dass es so isst, wie ICH das will, statt es einfach nur satt zu machen. Ich fühlte mich wie die schlechteste Mutter der Welt. Erst Recht, als sie anfing im Schlaf zu wimmern oder plötzlich aufzuschreien. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich es ihr so schwer machte, wusste aber auch nicht, wie ich zum Stillen komme, ohne mein Baby so zu quälen. Den Stillmarathon brach ich nach etwa 16 Stunden ab und gab meinem Baby wieder die Flasche.
Die Hebamme kam am nächsten Tag wieder und empfahl mir eine Milchpumpe zu besorgen. Ich sollte das Mädchen anlegen, sie dann mit der Flasche satt füttern und hinterher abpumpen. Im Idealfall etwa alle 2 Stunden pumpen und so die Milchproduktion steigern. Parallel dazu informierte ich mich über Saugersysteme. Ich wollte das Mädchen nicht noch mehr verwirren und sie mit einer Flasche füttern, die dem Stillen möglichst nahe kommt. Dabei stieß ich auf die Calma-Serie von medela. Dank Prime hatte ich den Kram gleich am nächsten Tag da und setzte das ein. Zum Glück kam das Mädchen damit recht gut zurecht. So empfand ich das zumindest.
Die Hebamme sah das anders. Zuvor wies sie mich an aufzuschreiben, wie viel das Mädchen trinkt und in welchen Abständen. Dabei kam heraus, dass die Gesamtmenge zu gering ist. Sie trank nicht einmal die Hälfte dessen, was ein Säugling ihres Alters bräuchte. Sie vermutete, das liege an der Flasche. Der Calma-Sauger ist sehr schwergängig, ähnlich dem Saugen an der Brust eben. Die Hebamme ging davon aus, dass das Mädchen nach der Hälfte so erschöpft ist, dass sie nicht mehr genug Kraft hat um so viel zu trinken, wie sie eigentlich bräuchte. Was auch für die sehr kurzen Abstände spräche. Wir wechselten also zu MAM. Mit diesen kam sie aber nicht so gut zurecht, weil die Milch – obwohl es die 1er Sauger waren – nur so raus lief und sie gar keine Verschnaufpause hatte. Sie verschluckte sich ständig. Wir wechselten daraufhin zu NUK. Das sei der klassische Sauger, den gebe es schon ewig und die Babys kommen damit zurecht. Sagte die Hebamme. Und auch das Mädchen kam gut klar. Allerdings schmatzte und schnalzte sie beim Trinken viel und schluckte so enorm viel Luft…
Parallel dazu legte ich sie weiterhin so oft wie möglich an und besorgte mir eine elektrische Milchpumpe, welche mir meine Frauenärztin aufschrieb. Damit konnte ich deutlich mehr Milch gewinnen, als es mit der Handmilchpumpe der Fall war. Dennoch kamen pro Abpumpen nur 8-20ml Milch zusammen. Erst mit dem Wechsel zur medela Swing kam deutlich mehr, bis zu 60ml! Damit schaffte ich teilweise 2 Muttermilchmahlzeiten für das Mädchen zusammen zu bekommen.
Jedenfalls nahm das Mädchen auch noch Zuhause weiter ab und die Hebamme war nicht zufrieden. Sie wies mich an, das Mädchen erst einmal nicht mehr anzulegen und sie stattdessen so viel aus der Flasche trinken zu lassen, bis sie eben satt ist. Ich pumpte also wie verrückt ab, so oft es sich einrichten ließ und gab dem Mädchen am liebsten Muttermilch, füllte den Rest aber mit der Säuglingsnahrung auf. Ihre tägliche Trinkmenge steigerte sich dadurch stetig. Schaffte sie anfangs grad mal knapp 300 ml täglich, so waren es zum Ende meiner Dokumentation 700-800 ml. Wohohoooo!
Von da an nahm das Mädchen auch gut zu und entwickelte sich besser.

Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen so viel abzupumpen, wie es nur geht und die Milchproduktion so am Laufen zu halten. Wenn das Mädchen genug zugenommen hat und wieder kräftig(er) ist, wollte ich langsam wieder versuchen sie ans Vollstillen zu bekommen. Dass das geht, darüber hab ich viele Berichte gelesen.
Bei uns hat das aber nicht geklappt. Sie ließ sich weiterhin nicht Anlegen, saugte immer nur kurz, brüllte sich ein und war erneut zu erschöpft zum Trinken. Irgendwann gab ich es auf, wollte ihr aber weiterhin Muttermilch geben, so lange und so viel es eben geht.
Doch im 3. Lebensmonat wurde die abgepumpte Milchmenge täglich weniger. Es ließen sich nur noch wenige Tropfen gewinnen, wenn überhaupt. Das machte mich sehr traurig, denn ich hatte mich so sehr auf’s Stillen gefreut und bin damit nun auch diesmal gescheitert.

Mein Stillen und die Anderen

Selbst damit zurecht zu kommen und mit dem Thema Stillen abzuschließen ist schwierig genug. Noch schlimmer machen es die Kommentare und Sichtweisen anderer. Da gibt es Mütter, die das Stillbuch gelesen haben, selbst einige Wochen stillen und vielleicht noch jemanden kennen, der jemanden kennt, der stillt, und der Meinung sind, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gegessen, könnten – hätten gar das Recht – über andere urteilen. Mütter, die einem vorwerfen man habe ganz sicher etwas falsch gemacht. Man habe nicht durchgehalten. Man habe nicht den Biss. Man habe nicht alles ausprobiert. Man wollte ja eigentlich gar nicht, würde Gründe nur vorschieben. Denn JEDER KANN STILLEN.
Ich bin ehrlich: Diese Urteile machen mich wütend. Wie kann sich jemand anmaßen, über mich zu urteilen? Zu beurteilen, ob ich genug getan habe? Ob ich es wirklich versucht habe? Ob ich es wollte? Und wenn dann noch Kommentare kommen wie „mein Baby hat auch gebrüllt“ und im gleichen Atemzug erwähnt wird, wie schlimm es für sie ist, wenn ihr Baby weint und sie nicht wissen, wie sie ihm helfen sollen, könnte ich platzen. Da wird nicht darüber nachgedacht, dass andere Mütter ihre neugeborenen Babys vielleicht (auch) nicht brüllen lassen wollen. Dass sie ihnen helfen wollen, so schnell es geht. Ich finde es ist ein himmelweiter Unterschied, ob mein Baby TROTZ – wie z.B. bei Bauchweh – oder WEGEN meines Handelns weint. Nicht zu verachten ist auch das Schulterzucken, wenn ich das Verhalten des Mädchens beschreibe, wenn ich sie anlege. Man müsse halt da durch. Ist eben so. Komischerweise würden die selben Leute aufschreien, wenn ich ihnen erzählen würde, das Mädchen müsste eben alleine einschlafen und wenn sie dafür brüllt, müsse sie eben durch. Heiligt hier der Zweck wirklich die Mittel? Warum ist es in Ordnung ein Baby brüllen zu lassen, wenn ich es stillen möchte, nicht aber, wenn ich wollen würde, dass sie alleine einschläft? (Nur das wir uns richtig verstehen: Hier wird meistens intensivstes Einschlafkuscheln betrieben, wann immer sie es braucht!)
Auch die vielen (gut gemeinten) Ratschläge helfen da nicht weiter und machen es oftmals nur noch schlimmer, auch wenn sie sicherlich ganz lieb gemeint sind. Als ich an unserem 1. Tag Zuhause mit Tipps nur so überrannt wurde, war ich am Ende nur noch fertiger, als ohnehin schon. Ich saß da mit meinem hungrigen, brüllenden Baby im Arm und fühlte mich wie ein Vollversager. Bei jedem klappt es, nur bei mir nicht. Bin ich zu doof? Was mache ich falsch? Was kann ich besser machen? Wann genau bin ich falsch abgebogen? Als ich sie ins Kinderzimmer gab? Oder als ich einknickte und sie mit der Flasche satt machte? Oder war es der Kaiserschnitt? WAS war es? Das Vollversagergefühl wird eigentlich nur durch diejenigen perfektioniert, denen ich – auf deren Nachfrage – von unserem Drama erzählte und mir dann anhören musste, wie gut das Stillen bei ihnen geklappt hat. Sie hätten genug Milch für 3 Kinder gehabt, mussten das Baby nur ansehen und schon… ach, Sie wissen schon. JedeR kennt jemanden, der sowas zu berichten hat.
Meinen die Leute wirklich, ich hätte nicht alles versucht? Meinen sie wirklich, ich sei nicht auf die Idee gekommen, eine Stillberaterin zu suchen? Das Mädchen so oft anzulegen, wie es nur geht? Die Flasche weg zu lassen? Ernsthaft?

Mittlerweile stehe ich halbwegs drüber. Es hat auch diesmal nicht geklappt. Aber ich würde es auch bei einem 3. Kind noch einmal versuchen. Und wer weiß, vielleicht erlebe ich irgendwann doch noch einmal die perfekte Stillbeziehung? Wir werden sehen…