Reha-Rückblick: Behandlung, Therapie und ein Resümee

Vor fast 2 Jahren – als Lotte noch unter zwei war, Jona grad auf die Welt gekommen war und wir uns Allgemein erstmal als Familie neu eingrooven mussten – hatte Lotte das erste Mal Auffälligkeiten. Erst zeigte sie eine Schmerzreaktion beim Wickeln, dann humpelte sie morgens und bald auch nach längerer Belastung, also den ganzen Tag. Nachdem unser Kinderarzt das zunächst nicht ernst nahm, ging es plötzlich doch schnell ins Krankenhaus. Zwei Monate lang nahm sie einen Entzündungshemmer, leider brachte das nicht den gewünschten Erfolg und so stand Mitte Mai ’17 der Eingriff an. Der Erguss im Knie wurde punktiert und Kortison injiziert. Wenige Wochen später war Lotte beschwerdefrei. Kinder-Rheuma war die ganze Zeit Thema, ich informierte mich zwar, verdrängte es aber auch. Weil: Wieso soll ich mich verrückt machen, wenn noch keine definitive Diagnose fest steht? Genau!

Kinder-Rheuma – Gewissheit

Es wurde alles besser, auch wenn Lotte den Entzündungshemmer weiterhin nehmen musste. Das Humpeln war vorerst weg, sie konnte wieder ausgelassen spielen, toben und hüpfen. Leider hielt das nicht all zu lange an. Weniger als 6 Monate nach dem Eingriff humpelte sie erneut. Vor einem Jahr dann die Gewissheit: Lotte hat Kinder-Rheuma (Juvenile idiopathische Arthritis).

Ich wälzte die gängigen Internetseiten, schaute in Bücher und löcherte ihre Ärztin mit Fragen. Woher kommt das? Was kann man tun? Geht Rheuma auch irgendwann wieder ganz weg? Gibt es Spätfolgen? Wie lebt man als Patient damit? Wie als Familie? Und überhaupt, WARUM LOTTE?!?

Ich war immer irgendwo zwischen annehmen, informieren, wissen, behandeln und… ja, Resignation. Denn: Rheuma ist scheiße. Ganz kurz zusammengefasst und auf den Punkt gebracht. Rheuma kann viele Nebenerkrankungen haben, es gibt Organschäden und natürlich der allgemeine chronische Verlauf der Krankheit selbst, der sehr schmerzhaft ist. Und das alles hat bzw. kann meine kleine, süße, lebensfrohe Tochter treffen. Wie, wenn nicht scheiße, ist das denn bitte?

Kinder-Rheuma behandeln

Die Behandlung von Kinder-Rheuma läuft etwas anders, als die Erwachsenenform. Aber ich will hier auch gar nicht aufklären oder ähnliches, dafür gibt es Seiten, die genau darauf ausgelegt sind. Ich möchte nur unseren Verlauf zusammenfassen.

Lotte am Flussufer

In der Reha, die eigentlich keine Reha, sondern ein ganz normaler Krankenhausaufenthalt war, lernte ich viel über die Krankheit. Zum Beispiel, dass Lotte eine Oligoarthritis hat. Bei dieser Form der Arthritis sind weniger als 5 Gelenke betroffen. Außerdem lernte ich, dass Lotte für die nächsten 2 Jahre in höchstens 4 bis 6 wöchigen Abständen zum Augenarzt muss, damit eine Uveitis (rheumatische Augenentzündung) frühzeitig erkannt und behandelt werden könnte. Ich lernte, dass ihr erhöhter ANA-Wert (antinukleären Antikörper) naturgemäß dazu gehört und dass der Rheumafaktor bei ihrer Form negativ ist. Leider kann die Oligoarthritis im Verlauf auch in eine Polyarthritis übergehen, worüber ich mir aber jetzt noch gar keine Gedanken machen mag.

Auch konnte ich durch viele der anderen Eltern einiges lernen. Lotte hatten ihren ersten Schub mit unter 2 Jahren, das ist eher ungewöhnlich früh. Der Durchschnitt liegt bei 3-4 Jahren, oft auch später. Die meisten Kinder, die wir trafen, hatten mehrere betroffene Gelenke. Bei ihnen begann es aber mit einem Gelenk und im Verlauf kamen weitere hinzu. Ganz typisch sind die Knie-, die Sprung- und Handgelenke. Aber auch alle kleinen Gelenke (Finger, Zehen) oder die Hüftgelenke, die Wirbelsäule und die Elle können betroffen sein.
Lotte hat also Glück im Unglück, sozusagen. Und ich hoffe sehr, dass es so bleibt!

Ich sprach mit einigen Eltern, die schon öfter in die Rheuma-Klinik kamen. Mit anderen, die ebenso zum ersten Mal dort waren. Alle waren sich einig: Diese Klinik ist ein großer Gewinn. Auf vielen Ebenen. Dort erfolgt eine ganzheitliche Betreuung. Neben der Linderung der Schmerzen und dem Stoppen des aktuellen Schubs gibt es Therapien (Ergo- und Physiotherapie), eine Sozialberatung, sowie eine Elternschule. Die Informationen betreffen die Krankheit selbst, aber ebenso auch die rechtlichen Aspekte. Zum Beispiel, inwiefern die Krankenkassen Kosten für unterschiedliche Dinge übernehmen oder auch der Kündigungsschutz für Eltern chronisch kranker Kinder. Dinge also, die man sich andernfalls mühsam zusammensuchen muss.

Bettruhe - schwer umzusetzen

Lottes weiterer Behandlungsplan ist relativ simpel, allerdings natürlich abhängig vom Verlauf.

bisherige Behandlung

  • Naproxen
    Entzündungshemmer

  • Omeprazol
    Protonenpumpenhemmer

  • Methotrexat
    Immunmodulator

  • Folsäure
    essentielles Vitamin

weitere Behandlung

  • Naproxen
    Entzündungshemmer

  • Physiotherapie
    zur Stärkung des rechten Beins

  • Hilfsmittel
    3mm-Einlage im linken Schuh, da das rechte Bein (durch die Entzündung) schneller gewachsen ist.

Wie man sieht, bleibt ihr der Entzündungshemmer weiterhin erhalten, den nimmt sie seit bald 2 Jahren. Dafür ist der Protonenpumpenhemmer gestrichen, weil die erwarteten Nebenwirkungen wohl sehr selten sind. Der Immunmodulator mit seinem Anhängsel Folsäure ist ebenfalls verschwunden, weil er nicht die gewünschte Wirkung zeigte. Ob das so bleibt, werden die nächsten Monate zeigen.

Hinzu kommen Einlagen, da Lottes rechtes Bein aufgrund der Entzündung im Gelenk schneller gewachsen ist. Sie sind nicht sehr bequem und machen den Schuhkauf auch nicht einfacher, müssen aber sein, um eine Schiefstellung auszugleichen.
Die Physiotherapie hatte sie bereits in der Klinik, nun steht diese auch zweimal wöchentlich zuhause im Terminkalender. Eigentlich wohl viel zu spät, die Bewegungseinschränkungen hätten schon viel früher auch physisch behandelt werden müssen. Nun ja.

Rheuma-Klinik – war das wirklich nötig?

Ich bin ehrlich, was die Rheuma-Klinik angeht, so war ich skeptisch. Klar, bei der Recherche zu Kinder-Rheuma stößt man automatisch auf die Internetseite und auch im weiteren Verlauf tauchten die Namen der beiden Kliniken auf.  Immer wieder. Aber ich war skeptisch, ob das wirklich nötig ist. Auch weil ich mich bei unserer Ärztin ganz gut aufgehoben fühlte.

Doch in der Rheuma-Klinik herrscht nochmal ein ganz anderes Niveau. Da sind alle Ärzte mit dieser Krankheit vertraut, ebenso die Schwestern. Sie haben Verständnis dafür, wenn die Kinder langsamer voran kommen und stellen Hilfsmittel zur Verfügung, die sich gar nicht wie Hilfsmittel anfühlen. Kleinkinder mit betroffenen Gelenken an den Beinen z. B. bekommen Laufräder, die größeren Kinder umgebaute Roller mit Sitz und die ganz Kleinen Dreiräder und ähnliches. Es gibt Rollstühle, Sitzerhöhungen an den Esstischen und nach den Mahlzeiten Kühlung für die Gelenke.

Die gesamte Organisation dieser Klinik ist ganz anders, als ich es von hier gewohnt bin. So hatte Lotte z. B. für 8.30 Uhr den Termin zur Injektion und ich staunte nicht schlecht, als sie tatsächlich um 8.30 Uhr in den OP geschoben wurde. Das ist nur möglich, weil das eine Spezialklinik ist, die keine Notfälle im klassischen Sinne rein bekommt, das ist mir schon klar, dennoch macht das Eindruck und trägt dazu bei, dass das Kind möglichst wenig leidet. Lotte jedenfalls fand es nicht so schön, als sie beim ersten Eingriff mehr als 16 Stunden nüchtern sein musste, bis sie endlich dran war. 22 Stunden lagen zwischen ihrem Abendessen und der nächsten Mahlzeit!

Ich hab natürlich auch unterschiedliche Bewertungen zur Klinik gelesen. Sehr gute wie auch sehr schlechte. Im Endeffekt hat jeder seine eigenen Ansprüche und Wünsche, aber ich persönlich bin ziemlich angetan und würde jedem, der ein Kind mit Kinder-Rheuma hat, eine solche Klinik empfehlen.

Sehnsucht nach Spielplatz

Die alles entscheidende Frage: Hat die Rheuma-Klinik was gebracht?

Die alles entscheidende Frage ist natürlich, ob der Aufenthalt in der Klinik auch etwas gebracht hat. Nun, ganz kurz und bündig: Ja, sehr viel!

Als wir hin fuhren, hat Lotte wieder seit mehreren Wochen gehumpelt. Das MRT zeigte einen Gelenkerguss, der zwar kleiner war, als beim letzten Schub, aber eben eindeutig vorhanden. Unsere Ärztin hat Lotte dahin überwiesen und stellte eine Reha in Aussicht, was mich ein wenig skeptisch machte. Vor Ort stellte sich auch schnell heraus, dass es sich nicht um eine Reha im klassischen Sinne handeln würde.

Eingangsbereich der Rheuma-Kinderklinik

Die Untersuchungen waren für Lotte sehr anstrengend, aber auch allumfassend. Es ging nicht ausschließlich um ihr Knie, auch wenn natürlich vordergründig. Auch sämtliche anderen Gelenke wurden untersucht, es gab einen Ultraschall beider Knie-, Sprung- und Hüftgelenke. Außerdem fiel dort erst auf, dass Lotte das rechte Bein massiv schont, da der Umfang bereits extreme Abweichungen (Oberschenkel 3 cm, Wade 1,5 cm) hatte. Die Oberärztin ordnete eine weitere Injektion an, die am 4. Tag stattfand. Im Gegensatz zur vorherigen Injektion, nach der Lotte direkt normal weitermachen durfte, stand dort Bettruhe für insgesamt 3 Tage an. Erst 3 Wochen nach der Injektion durfte Lotte wieder normal weitermachen. Vorher durfte sie keine Treppen steigen, nicht klettern, hüpfen oder rennen. Sie sollte möglichst wenig laufen und alles mit dem Laufrad erledigen. Im Prinzip war die Anweisung kurz und knapp: Bewegung ohne Belastung!
Das machte den Alltag zuhause natürlich nicht so leicht und bedeutete für mich vor allem sie viel zu Tragen.

Aber – und das ist der wohl springende Punkt – Lotte humpelt nicht mehr. Gar nicht! Und das direkt nach der Bettruhe! Außerdem sagt sie auch auf Nachfrage immer, dass ihr nichts wehtut. Manchmal strahlt sie mich ganz von selbst an und sagt „Mama, mein Bein tut nicht weh. Gar nicht mehr! Ich kann mit beiden Beinen hüpfen!“ und rennt los, um es zu zeigen. Also ja, die Reha, die eigentlich gar keine war, hat eine ganze Menge gebracht. Sie brachte Lotte Linderung, lehrte mich ganz viel und es steht fest, dass wir nun öfter dort sein werden. Die Organisation darum ist zwar schwierig, aber da die Behandlung dort so gut war….

unser Weg mit dem Kinder-Rheuma – ein Ausblick?

Wie es weitergehen wird, das wüsste ich wirklich gern. Tatsächlich kann JIA bei einer guten Behandlung zur Ruhe gebracht werden, eine vollständige Heilung aber gibt es nicht.
Bisher hatte Lotte zwei Schübe, ob oder wann ein weiterer kommt, kann uns natürlich niemand sagen. Momentan arbeiten wir daran, dass sie das rechte Bein wieder genauso benutzt, wie sie es mit dem linken tut. Das scheint aber ein weiterer Weg zu werden. Stichwort Muskelaufbau. Beim Kleinkind. Haha.
Aber wir bleiben dran. Natürlich. Die Physiotherapeutin tut ihr bestes, um Lotte zu motivieren. Und auch im Alltag achte ich ein wenig darauf, dass sie das rechte Bein nicht zu sehr schont. Der unterschiedliche Muskelaufbau ist halt schon sehr ausgeprägt.

Demnächst werden wir nochmal einen Kontrolltermin bei unserer Rheuma-Ärztin haben und ich bin gespannt, was sie sagt. Ehrlich gesagt weiß ich nicht so recht, was ich von ihr halten soll. Einerseits macht(e) sie einen kompetenten Eindruck und kann wirklich gut mit Lotte. Andererseits hat sie viele sehr JIA-typische Dinge nie erwähnt (z. B. die augenärztlichen Untersuchungen) oder Dinge schlicht nicht eingehalten (z. B. die monatliche serologische Untersuchung unter MTX). Das lässt mich dann doch aufhorchen und eben auch zweifeln, zumal diese Dinge Spätfolgen nach sich ziehen können, die einfach nicht sein müssen.