Die ersten zwei Tage mit Aktion waren der 3. und 4. Tag. Am 3. Tag begannen erste Therapien, wir hatten morgens einen Behandlungsplan auf dem Tisch und einen vollen Tag. Am 4. Tag stand direkt der erneute Eingriff auf dem Plan, danach muss Lotte Bettruhe einhalten. 3 Tage.
Tag 3 – erste Therapien
Die Nacht war unruhig und Lotte hat eher schlecht geschlafen, war morgens aber fit – wie immer. Beim Frühstück merkte man ihr aber an, wie ihr die Situation zu schaffen macht. Sie war unruhig, wenig kooperationsbereit und insgesamt laut. Zuhause kein Problem, im gemeinsamen Speisesaal, wo auch andere Kinder sind, schon.
Wir verzogen uns danach zum Kühlen aufs Zimmer und kurz darauf stand auch schon der erste Termin auf dem Plan.
10.30 Uhr – Krankengymnastik
Die Krankengymnastik findet in einem großen Raum mit vielen Liegen und unterschiedlichen Möglichkeiten statt. Lotte war an den Möglichkeiten sehr interessiert, weniger an der Physiotherapeutin und ihren Bitten. Sie versuchte es sehr. Lotte zugewandt, auf sie eingehend – aber Lotte blockte alles ab. Vorsichtig streckte und beugte sie ihre Gelenke, ließ sie nach oben gucken und ähnliches. Das klappte so mittelgut. Hellhörig wurde Lotte erst, als sie ihr das Schwimmbad zeigen wollte. Wir bekamen direkt einen Zettel mit, den wir vom Stationsarzt unterschreiben lassen und zum Schwimmen mitbringen müssen. Dann dürften wir zu festgelegten Badezeiten ins Wasser. Für heute passen sie leider nicht, aber wenn die Schonzeit vorbei ist, werden wir das sicherlich mal in Anspruch nehmen.
Im Anschluss waren wir nochmal zum Spielen auf dem Zimmer, dann kam der Stationsarzt und untersuchte Lotte nochmal. Ob alles okay sei, wollte er wissen. Leider war er bei der Untersuchung recht ruppig und tat Lotte sehr weh. Sie sagte zwar nichts, weinte aber dann.
Da werde ich künftig mehr dazwischen gehen. Lotte ist Schmerzen gewöhnt. Daher sagt sie nicht immer direkt etwas, obwohl es weh tut. Der Arzt entschuldigte sich zwar und bat, sie solle künftig STOP sagen, wenn es weh tut, aber ich bezweifle, dass die 3-jährige das schafft.
13 Uhr – Augenarzt
Nach dem Mittagessen stand die augenärztliche Untersuchung auf dem Plan. Es dauerte ein wenig, bis wir den richtigen Raum gefunden hatten, weil das Klinikgebäude sehr verzweigt ist, aber am Ende waren wir pünktlich zu unserem Termin.
Die Ärztinnen machten das mit Witz und holten Lotte schnell ins Boot. Aber die Untersuchung dauerte auch nicht lange, sodass das wirklich gut ging. Am Ende durfte Lotte sich noch ein Spielzeug aussuchen, das gefiel ihr natürlich gut.
Die anschließende Pause bis zum nächsten Termin nutzten wir auf dem klinikinternen Spielplatz. Lotte fuhr Laufrad, machte Quatsch, rutschte und konnte sich ein wenig austoben. Zwischendrin waren wir mal ein Eis essen, danach ging es kurz aufs Zimmer, um unseren Laufzettel zu holen, den wir für den nächsten Termin brauchten.
15.30 Uhr – Sozialdienst
Zu unserer Gesprächsrunde beim Sozialdienst hatte Lotte eigentlich keine Lust, am Ende machte sie die 30 Minuten aber ganz gut mit. Die Sozialarbeiterin erzählte ein wenig über die Abläufe, wann Eltern mit aufgenommen werden und welche Konsequenzen das hat – oder eben nicht. Am Ende waren wir kurz bei ihr im Büro, wo sie uns eine Bescheinigung ausstellte, dass meine Aufnahme als Begleitperson medizinisch notwendig ist. Diese brauche ich für die Krankenkasse, damit der Mann zuhause bei den anderen Kindern bleiben kann und eine Lohnersatzzahlung erhält. Mir fehlt nur die Unterschrift des Arztes, dann kann ich die Bescheinigung der Sozialarbeiterin vorlegen. Sie scannt sie ein und schickt sie mir per Mail, damit ich sie an die Krankenkasse weiterleiten und der Antrag vollständig bearbeitet werden kann.
Wir hatten danach kurz Zeit, um aufs Zimmer zu gehen und unsere neuen Zimmernachbarn kennenzulernen, dann ging es zum nächsten Termin.
16.30 Uhr – Ergotherapie
Auf die Ergotherapie hatte Lotte eigentlich keine Lust mehr, aber die Therapeutin hatte sie, als sie „Möchtest Du mit mir kneten?“ fragte. Lotte knetete dann begeistert, während die Therapeutin sich ihre Haltung, ihre Fuß- und Beinstellung ansah und Tipps gab, wie sie ideal sitzen sollte. Die halbe Stunde war viel zu schnell vorbei und sie versprach beim nächsten Mal mit Ton zu kneten, weil Lotte erwähnte, dass sie das mit ihrer Oma so gerne macht.
Die um 17 Uhr anstehende Hausführung für neue Patienten haben wir sausen gelassen, weil Lotte am Ende ihrer Kooperationsbereitschaft war und dringend etwas Zeit für freies Spiel brauchte. Das machte sie dann auch auf dem Zimmer mit der neuen Nachbarin, die nur unwesentlich jünger ist, als sie. Die Mädchen malten und teilten Kekse, während wir Mütter uns etwas unterhalten konnten.
Nach dem Abendbrot telefonierten wir mit Mo, Nina und Jona. Das war so mittelgut, weil Jona völlig ausflippte, als er Lotte und mich bei der Videotelefonie sah und gar nicht verstand, wieso er nicht zu uns konnte. </3 Machen wir so auch nicht mehr, das ist zu viel für den kleinen Knopf.
Lotte ging noch duschen und schlief nach dem Abenprogramm blitzschnell ein. Trotzdem dass unsere Zimmernachbarn wieder kamen, sich selbst fertig machten und gar nicht sooo leise waren. Der Tag war aber auch wirklich viel für Lotte.
Tag 4 – die Injektion
Lotte hat gut und lange geschlafen. Heute morgen musste ich sie um kurz vor 8 Uhr wecken, damit das Programm starten konnte. Ich hab sie schnell umgezogen, dann ging es zur Blutabnahme und zum Legen des Zugangs.
8.30 Uhr – Injektion
Um 8.15 Uhr holte uns die Schwester ab und brachte uns nach unten zu den OPs. Dort warteten die Ärzte schon und es ging pünktlich um 8.30 Uhr los, wie der Termin auch angesetzt war. Das erstaunte mich, weil das in der anderen Klinik nie so reibungslos klappte. Da lagen teilweise Stunden zwischen dem angesetzten Termin und dem tatsächlichen Geschehen, was grad bei so kleinen Kindern, die nüchtern bleiben müssen, echt schwierig ist.
Jedenfalls bekam ich einen Stuhl an Lottes Bett, die ganz entspannt da saß. Die Ärztin spritzte ihr ein Mittel über den vorhandenen Zugang, das sie entspannter werden ließ. Sie wurde schläfrig und sprach undeutlich, war aber noch da. Ich verabschiedete mich von ihr und sagte, sie wird nur kurz da rüber geschoben und ich warte hier. Das war ok. Und weg war sie.
Ich ging nochmal kurz hoch, holte unser zuvor vorbereitetes Frühstück auf unser Zimmer und ging direkt wieder runter. Lotte wurde gerade in den Aufwachraum geschoben und machte die Augen auf. Ich konnte mich wieder zu ihr setzen, mit ihr reden, sofern das möglich war und sie halten, weil sie noch sehr unkoordiniert war. Nach etwa 45 Minuten konnten wir zurück auf die Station gebracht werden.
Als wir oben waren, durfte sie direkt etwas Wasser trinken. Nachdem das gut geklappt hatte und sie sich nicht übergeben musste, war auch frühstücken okay, was Lotte direkt ausgiebig nutzte.
Für den Rest des Tages stehen Bettruhe, Kühlen im 2-Stunden-Takt und Bespaßung auf dem Plan. Allerdings verträgt Lotte es nicht gut, dass sie den ganzen Tag im Bett bleiben soll. Sie ist ein Quirl, muss und will sich bewegen und jetzt ist sie ganz stillgelegt. Nur liegen und sitzen sind erlaubt, kein Knien, Gehen, Laufen, Klettern oder Springen.
15 Uhr – Noch SO viel Tag?!
Es gab heute mehrere Wut- und Trotzanfälle, weil Lotte will und nicht darf und es fällt mir sehr schwer, sie zu bremsen. Zweimal habe ich ihr mein Handy gegeben und sie durfte ein paar Minuten spielen. Aber das macht auch nur ein paar Minuten des Tages aus, der Rest folgt ja dann noch. Puh.
Wir haben gespielt, gebaut, gelesen, Musik gehört, wieder gebaut, Muster gelegt, Geschichten gehört, Schokolade genascht, Magnete verbaut, etwas auf dem Laptop geguckt und dann war endlich Zeit für das Abendbrot. Aber so richtig Hunger hatte Lotte nicht. Die Bettruhe tut ihr nicht gut und ich bin froh, wenn sie morgen zumindest ein wenig aus dem Zimmer darf, wenn auch nicht ständig und dauerhaft. Aber so eingesperrt fällt auch mir mittlerweile die Decke auf de Kopf.
Sehr geärgert habe ich mich, als ich die Schwester, die ich unterwegs traf (ich fragte, ob der Zugang weg kann, sie sagte, sie müsse den Arzt noch fragen), als ich unser Mittagessen holen wollte, bei Lotte im Zimmer fand. Sie war gerade dabei ihr den Zugang zu ziehen. Lotte klammerte sich an ihr Schnuffeltuch und weinte bitterlich, versuchte ihren Arm wegzuziehen. Die Schwester hielt ihn fest und sagte immer wieder „Das tut doch gar nicht weh, das ziept nur!“. Nicht nur, dass ich es unmöglich fand, dass sie ohne meine Anwesenheit irgendwas an Lotte macht, ihr dann aber auch noch sagen zu wollen, was sie fühlen soll. Ein No-Go!
Gedankenkarussell – kein guter Tag
Aber auch mich machen die Tage hier fertig. Nicht wegen der Bespaßung, sondern wegen dem, was ich hier sehe und höre.
Klinikaufenthalte sind für Rheuma-Kinder Standard. Sie sind regelmäßig hier, werden regelmäßig gecheckt. Ob sich was verschlechtert, ob die Organe beteiligt sind, ob sich sonst irgendwas tut, was sich nicht tun sollte. Mindestens einmal im Jahr ist ein Aufenthalt hier empfohlen, einfach um alles im Blick zu behalten. Ich sehe, was Rheuma für Einschränkungen mit sich bringt. Wie Familien jonglieren, um den betroffenen Kindern ein möglichst normales Leben zu bieten und wie oft das eben nicht normal ist. Nicht nur für die betroffenen Kinder, sondern auch für die Geschwister, die dabei sind.
Ich sehe Kinder in unterschiedlichen Stadien und mit unterschiedlichen Ausprägungen und frage mich bei jedem einzelnen, ob Lotte DAS erwartet, oder DAS, oder etwa DAS? Für mein Mama-Herz ist das ganz schwer. Ich will doch nur das beste für meine Lotte, ein schönes und normales Leben, ohne Schmerzen. Und doch frage ich mich ständig, ob das geht. Wie normal, wird ihr Leben? Wie geht es weiter? Wohin führt das Rheuma sie? Wird sie Einschränkungen haben? Welche?
Auch sagten die Ärzte hier, dass Rheuma sich nicht verwächst, wie die Ärztin aus unserer Klinik mir Hoffnung machte. Rheuma ist da. Rheuma steckt im Menschen, es ist eine Autoimmunerkrankung. Und die verschwindet nicht einfach, nur weil jemand wächst. Ja, es gibt Zeiten ohne Schübe. Zeiten, in denen ein nahezu normales Leben möglich ist. Aber das sind relativ kurze Zeiten, Abschnitte die gut sind, aber nicht für den Rest des Lebens anhalten.
Und ja, all diese Gedanken ziehen mich heute besonders stark runter. Hoffentlich ist morgen ein besserer Tag.
Vielleicht als kleine Hoffnung:
Ich habe als Kind mit 6 Jahren Rheuma bekommen, über mehrere Jahre waren regelmäßig Klinikaufenthalte, Kontrolluntersuchungen und Physio notwendig. Zeitweise war ich auch von der Schule freigestellt, weil es gesundheitlich einfach nicht gegangen wäre.
Mit ca. 12 Jahren traten dann irgendwann keine Schübe mehr auf und bei den Blutuntersuchungen konnten keine Rheuma-Faktoren mehr gefunden werden (sehr zum Erstaunen der Ärzte).
Ich habe dann fast 15 Jahre rheumafrei gelebt und erst 2016 nach einer sehr stressigen und gesundheitlich angeschlagenen Zeit ging es dann plötzlich erneut mit Schmerzen in den Gelenken los.
Da ich durch die Vorgeschichte ziemlich schnell von einem Rheumatologen auf Basis Medikamente (MTX) eingestellt wurde, habe ich die Symptome aber gut in den Griff bekommen.
Natürlich gibt es -aus der kindlichen Rheumazeit- einige kleinere Veränderungen an den Gelenken und ja, es gibt immer mal wieder Schübe, an denen es nicht so gut geht aber das schränkt mich im Alltag eigentlich eher selten ein. Und es bleibt immer die Hoffnung, dass die Erkrankung nochmal für ein zwei Jahrzehnte in den Winterschlaf verfällt – gerade jetzt, wo ich sogar die Basismedikamente weiter herabsetzen konnte.
Was ich damit sagen will ist eigentlich nur, dass es schwere Rheuma-Verläufe geben kann und was man dazu sieht oder hört kann einem manchmal wirklich Angst machen, aber es gibt auch solche, die zwar ärgerlich sind (ich werde wohl nie beim „Iron Man“ mitrennen können) aber doch ein sehr normales Leben ermöglichen. Also lass dich nicht zu sehr runterziehen.