Mitte August begann das neue Kinderhausjahr und als ich auf dem Plan las, dass am darauf folgenden Tag die ersten Kleinen zur Eingewöhnung kommen, wurde mir schlagartig bewusst, dass Lotte nun seit einem ganzen Jahr in den Kindergarten geht. Dass sie nicht mehr zu den Kleinen gehört, sondern nun ein Mittelkind ist. Wahnsinn!
In diesem Jahr hat sie sich sehr weiter entwickelt. Sie hat viel gelernt, geht total gerne ins Kinderhaus und hat auch ein paar Kinder, mit denen sie gerne mal spielt. Praktikanten*innen hat sie kommen und gehen sehen, eine Erzieherin, die aus der Elternzeit zurück kam, Urlaube, Krankheiten, Ausflüge und Veranstaltungen – all das hat sie nicht mehr aus der Bahn geworfen. Einige Dinge macht sie gerne mit, andere weniger gerne. Momentan überwiegt der Stolz, dass sie endlich ein Mittelkind ist, auch wenn sie in ihrer kleinen Welt „schon fast ein Schulkind“ ist. Grad am Ende des letzten Kinderhausjahres überwog das Thema und tangierte natürlich auch die Nicht-Schulkinder.
1 Jahr Kindergarten – Lotte fremdbetreut
Nachdem die Eingewöhnung damals erstaunlich gut begann, die zweite Woche super lief und in der dritten mehrere Rückschritte folgten, war es nach Woche 6 plötzlich geschafft: Lotte ging (meistens) gerne ins Kinderhaus. Allerdings kam dann ein großer Rückschritt: Anfangs war sie nur Ab und zu morgens ein wenig nörgelig und brauchte mehr Kuscheleinheiten, wollte aber immer bleiben. Nach und nach entstand ein fixes Ritual, welches Lotte heilig ist. Dann aber löste sie sich problemlos, rannte los, winkte nochmal und war schon weg, bevor ich am Fenster vorbei gefahren bin. Das klappte einige Wochen gut. Bis sie wieder damit begann jeden Morgen zu bekräftigen, dass sie nicht ins Kinderhaus möchte, beim Verabschieden brüllte und zeterte und sich überhaupt nicht lösen wollte. Das ging bis zu den Weihnachtsferien so und ich befürchtete, dass es danach noch schlimmer würde. Statt dessen war es danach einfach vorbei, sie ging gerne, verabschiedete sich, winkte und spielte los.
Montessori Kinderhaus – ist es das richtige Konzept?
Lotte ist ja nun mein zweites Kind, das eine Kindertagesstätte besuchen sollte und so hatte ich schon ein paar Erfahrungen sammeln können. Daher hatte ich auch einige Ansprüche an den Kindergarten, in den meine mittlere Tochter gehen sollte.
Warum Montessori?
Das Konzept nach Maria Montessori kannte ich noch gar nicht, als ich Lotte bereits im Kinderhaus angemeldet habe. Warum dann? Weil die andere Option einfach keine Alternative ist. Wir haben zwar das große Glück in unserem kleinen Dorf gleich zwei Kindergärten zu haben, die andere Einrichtung ist pädagogisch und menschlich aber ein No-Go. Das hab ich nicht nur durch Ninas (zum Glück nur kurzen) Ausflug dahin gesehen, sondern auch von vielen anderen Eltern gehört, die ihre Kinder dort hatten. Auch stehen viele auf der Warteliste vom Kinderhaus und sind „ab sofort“ bereit zum Wechseln. Das spricht ebenfalls Bände.
Jedenfalls setzte ich mich erst nach der Anmeldung mit dem Konzept auseinander. Nämlich in einer Hausarbeit im Studium. Dabei stellte ich fest, dass da sehr viele, sehr geniale Ansätze verborgen sind und habe seither auch versucht zuhause die Umgebung der Kinder entsprechend anzupassen. Diese Ausrichtung auf Selbstständigkeit, eine klare Ordnung und den Blick vom Kinde aus hat uns den Alltag enorm erleichtert. Aber davon will ich ein anderes mal berichten.
unser Kinderhaus – große Liebe
Lotte jedenfalls liebt das Kinderhaus. Sie liebt die Materialien im Gruppenraum, sie liebt die festen Regeln und setzt sie sogar zuhause um und sie liebt die vergleichsweise strengste und älteste Erzieherin, von der ich dachte, sie würde nicht gut mit ihr auskommen können. Tja.
Und auch mir als Elter gefällt die Einrichtung nach wie vor in allen Belangen. Ich weiß mein Kind dort gut aufgehoben, ich weiß, wie die Abläufe sind, welche Regeln es gibt und wie diese umgesetzt werden. Und ich bin immer in Kontakt mit den Erzieherinnen. Nicht nur durch meinen Posten im Vorstand, auch beim täglichen Abholen oder Bringen. Wenn das allgemeine Geschehen es zulässt, ist immer Zeit für ein kurzes Gespräch. Mal die Erzählung, was sie gemacht haben, mal eine Rückmeldung nach dem Bringen oder auch einfache Besonderheiten des Alltags.
unser Kinderhaus – Struktur, Bewegung, Respekt
Der Personalschlüssel in unserem Kinderhaus ist grandios und übertrifft sämtliche Mindestvorgaben. Es gibt viel Platz zum Spielen, sowohl drinnen, als auch draußen. Die Kinder werden immer persönlich begrüßt (auch wenn Lotte selten zurück grüßt), es gibt eine hauseigene Köchin, die die leckersten Mahlzeiten zaubert und dabei die gängigen Empfehlungen erfüllt. Nachmittags gibt es einen gesunden Snack, sie verbringen den Vormittag und meistens auch den Nachmittag draußen, machen Ausflüge (die Mittel- und Schulkinder) und es gibt diverse Aktionen (Eltern-Kind-Turnen, Familienwandertag, Wald-Wochen, Erntedankkochen, Adventsfenster, Eltern-Café, etc.). Alle zwei Wochen gehen die Schulkinder schwimmen, jede Woche gibt es Turnen und ein Angebot nach Hengstenberg.
Zudem ist das Kinderhaus sehr strukturiert. Es gibt alle 2 Monate die Kinderhauspost, in der über die aktuellen Geschehnisse aufgeklärt und Termine erläutert werden. In der Garderobe hängen außerdem sowohl ein Plan, aus dem hervorgeht, wann welche Erzieherin da oder eben nicht da ist, als auch laminierte Zettel mit allen Wochentagen, wo der Tagesablauf dokumentiert wird. So kann ich beim Abholen immer mal drauf gucken und weiß, was die Kinder allgemein gemacht haben.
Auch pädagogisch kann ich nur positives berichten. Alle Erzieherinnen sind sehr bemüht, die Kinder werden immer freundlich und respektvoll behandelt. Sie können sich erklären, ihnen wird zugehört und bei Problemen eine gemeinsame Lösung gefunden. Nie habe ich Erzieherinnen genervt oder gar laut erlebt. Die Kinder lernen viel, sind selbstständig und holen sich Hilfe, wenn sie etwas selbst und mit Hilfe anderer Kinder nicht schaffen. Selbst die ganz Kleinen im U3-Bereich integrieren sich schnell und kennen die Abläufe, sind drin.
Dieser Kindergarten ist so nah an bedürfnisorientierter Betreuung, wie man es als Einrichtung nur sein kann. Die Kinder werden gesehen, die Wünsche der Eltern ebenso und wenn es schwierig wird, kann ein Mittelweg gegangen werden. Beispielsweise gibt es die Mittagsruhe, wo die Kinder in 3 Gruppen aufgeteilt ruhen. Die Kleinsten, zu denen Lotte im ersten Jahr ja gehörte, haben einen eigenen, ruhigen Raum, wo die meisten auch tatsächlich schlafen. Einigen Kindern tut aber ein langer Mittagsschlaf nicht gut, sie sind entweder hinterher müder, als vorher. Oder schlafen so lange, dass es abends spät wird und sie morgens nicht aus dem Bett kommen. Lotte vereint beides. Gar nicht schlafen ist für sie aber auch kein guter Weg, weil: Wenn sie einschläft, dann braucht sie das in dem Moment ja auch. Ich besprach die Problematik mit den Erzieherinnen und wir einigten uns darauf, dass sie nach 45 Min., also gegen 14.30 Uhr geweckt würde. Wenn sie sich nicht wecken lässt, ist sie doch zu müde und darf gern nochmal bis 15 Uhr weiter schlafen. Das ist für Lotte der ideale Weg, sie hatte eine Pause, schläft aber nicht zu lange, als dass sie abends nicht müde genug wäre. Am Kind orientiert eben. <3
Lotte in Fremdbetreuung
Vorneweg: Ich weiß, der Begriff Fremdbetreuung wird kontrovers diskutiert. Ich verwende ihn dennoch, weil er erstmal nur deskriptiv ist. Jede Person interpretiert ihn anders, weil sie unterschiedliche Erfahrungen mit ihren betreuten Kindern gemacht hat. Mit Nina habe ich erst sehr positive, dann sehr negative, im Anschluss zweimal mittelmäßige und am Ende wieder zweimal sehr negative Erfahrungen gemacht. Dennoch sehe ich den Begriff neutral. Es sind mir fremde Menschen, die mein Kind betreuen. Natürlich lerne ich einige Aspekte ihrer Person kennen, aber wirklich vertraut werden mir die Menschen nur in Ausnahmen. Nicht mit jeder Erzieherin schließe ich eine tiefe Freundschaft, nicht jeden Erzieher lade ich zu meinem Geburtstag ein. Und das ist okay!
spielen, wachsen, lernen
Lotte ist ein eher spezielles Kind. Sie ist willensstark, stur und aufbrausend. Mindestens aber genauso liebenswürdig, kuschelbedürftig und wissbegierig. Sie will überall dabei sein, mitmischen und den Ton angeben. Sie hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, verteidigt sich selbst und findet immer eine Beschäftigung. Im Kinderhaus spielt sie sich durch alle Räume und alles angebotene Material, ist gerne draußen und hält sich weitestgehend an Regeln. Zuhause sieht das etwas anders aus. Meistens muss sie ihre Tanks auffüllen, kuschelt viel, möchte oft vorgelesen bekommen. Draußen geht sie gerne zu den Hühnern, baut Sandburgen oder übt das Laufrad fahren.
In diesem einen Jahr Kinderhaus ist sie wahnsinnig über sich selbst hinaus gewachsen. Morgens sagt sie selten, dass sie nicht hin möchte und wenn doch, überlegt sie es sich meistens sogar nochmal anders. Momentan ist sie soweit, dass sie lieber dort frühstückt, als zuhause. Das hat sich aber erst im letzten Monat so entwickelt, zuvor war es immer Pflicht zuhause zu essen.
Lotte ist kein Musik-Kind. Das kenne ich von Nina z. B. überhaupt nicht und auch Jona mag Musik total gerne, singt ständig vor sich hin. Lotte aber mag Musik nicht. Sie mag kein Radio beim Autofahren, sie hört nur hier und da ein Lied auf ihrer Musik-Box oder am Stift, dann aber reicht es ihr. Ich habe immer das Gefühl, dass Musik sie zu sehr aufbraust. Sie wird dann immer noch unruhiger, wibbeliger.
Seit ein paar Wochen entwickelt sich da aber etwas. Immer öfter berichtete sie von Liedern aus dem Stuhlkreis und wollte, dass ich sie ihr vorsinge oder „anmache“. Die Video-Plattform und eine Suchmaschine wurden meine besten Freunde. Im Moment hört sie öfter Musik, nicht so oft, wie Jona, aber öfter. Sie liebt im Kinderhaus den Stuhlkreis mit der Lieblingserzieherin und berichtet immer sehr freudig von Liedern und Spielen.
angekommen – auf zu neuen Ufern
Ich sehe täglich, dass sie angekommen ist und dass sie das Kinderhaus sehr liebt. Und ich verstehe sie, ich tue es auch. Immer wenn ich hin komme, herrscht eine gute Atmosphäre, es ist hell, freundlich und einladend. Was wünscht man sich mehr?
Ich kann wirklich und ohne Einschränkungen sagen: Diesen Kindergarten – oder zumindest so einen – würde ich jedem empfehlen und wünschen. <3
Darf ich nach der Name dieser guten Montessori-Einrichtung fragen? :)