Während wir in einer Beziehung leben, rechnen wir damit nicht und dann trifft es uns plötzlich und unerwartet: es ist aus. Aus und vorbei. So plötzlich ist es meist aber dann doch nicht. Es gibt Anzeichen. Vorboten. Und erst hinterher wissen wir, dass es vorhersehbar war. Oder zumindest gewesen wäre. 

Ich erinnere mich an meine Beziehung mit IHM zurück. Als ich 16 gewesen bin, war er 26. Wir waren getrennt. Dennoch zog ich zu IHM, da ich keine andere Wohnmöglichkeit hatte. Nach einigem Hin und Her wurden wir wieder ein Paar. Wir rechneten unsere Gehälter zusammen und zogen in eine größere gemeinsame Wohnung. Alles war gut. Quasi.
Damals dachte ich mir nichts dabei, als ER meine Liebe zu IHM durch ein Kind bewiesen haben wollte. Ich setzte die Pille ab, doch es passierte nichts.
Irgendwann – es war nach meinem 17. Geburtstag – lief unsere Beziehung nur noch mittelgut bis schlecht. Couch-Potato, das war einfach nichts für mich. Ich wollte raus, Freunde treffen, Dinge erleben – ER wollte TV gucken, Zuhause entspannen, die Wochenenden seine Ruhe. Da ER aber nicht raus wollte, durfte ich auch nicht, wenn ich IHN liebte.
Unser immenser Altersunterschied zeigte seine Schattenseiten. ER hatte das Sagen, ich gehorchte.
Doch die Beziehung lief weiterhin schlecht. Interesse schien nicht mehr da zu sein. Ich überlegte hin und her, versuchte mich immer wieder in Gesprächen, doch ER nahm mich nicht ernst. Wenn ich gehen wollte, sollte ich es doch tun. Und dann sehen, was ich davon hätte.
Ich schaute mich nach Wohnungen um. Irgendetwas in Ausbildungsplatznähe sollte es sein. Wochen- und monatelang suchte ich. Traute mich dann aber doch nicht. Sollte ich IHN mit der großen, für IHN alleine viel zu teuren Wohnung einfach im Stich lassen? Obwohl ER mich damals rettete? Das konnte ich dann auch nicht ohne schlechtem Gewissen. Also beugte ich mich IHM weiterhin.
Nach einiger Zeit bot sich die Gelegenheit: Ein guter Freund zog zu uns, wir gründeten eine WG. Einem Auszug meinerseits stand dann also nichts mehr im Wege.
Zwischenzeitlich vergaß ich die abgesetzte Pille. Beziehungszeug gab es sowieso nur sporadisch – wie sollte da etwas passieren?

Eines Tages – ich hatte einen Brückentag Urlaub (war 8 Monate überfällig, was aber absolut normal gewesen ist), ER war arbeiten – machte ich einen Test, welcher auch prompt zwei deutliche rosa Streifen zeigte. Oooops. Ich war schockiert. Verwarf sämtliche Auszugstrennungsgedanken. Mutter, Vater, Kind, so gehört sich das – das war alles, was in meinem Kopf spukte.
Zügig machte ich einen Arzttermin. Die Ärztin bestätigte mir die Schwangerschaft mit den Worten „Sie sind schwanger, aber abtreiben können sie nicht mehr!„. Ich war in der 16./17. Woche. Als mir die Ärztin auf meine Frage, ob das das Baby sei auch noch „Nein, das ist der Kopf!“ antwortete, war ich völlig verdattert. Seit 16 Wochen wächst da ein Baby in mir und ich habe rein gar nichts gemerkt? Wie konnte das sein? Keine Übelkeit, kein Ziehen oder Zubbeln – nichts, außer die ausgebliebene Periode.

Wir lösten also unsere WG wieder auf. ER bezog ein 30qm kleines Zuhause, ich eine 45qm Zweizimmerwohnung. Die meiste Zeit verbrachte ich aber bei IHM.
Weiterhin lief unsere Beziehung schlecht. Während der Schwangerschaft war ich alleine. Immer. Überall.
Während andere werdende Mütter mit ihrem Partner zur Feindiagnostik, zum Ultraschall und anderen wichtigen Untersuchungen gingen, saß ich alleine da. Einsam.
Auch nachdem die Prinzessin auf der Welt war, sah es nicht anders aus. Ich war Mama. 24/7. ER nahm sie nur nach Aufforderung auf den Arm. Gab ihr nie die Flasche. Wechselte keine einzige Windel. Fragte nie, wie unser Tag war. Hatte keinerlei Interesse. Frustrierend.
Hatte ich mir die Schwangerschaft noch mit „ER hat sie ja nicht im Bauch, kann sich darunter noch nichts vorstellen“ schön geredet, so boten sich nun keinerlei Ausreden mehr an.
Im Dezember 2005 packte ich meine Sachen, das etwas über ein Jahr alte Prinzesschen und ich bezogen nun meine Wohnung.
Nach der Arbeit kam ER täglich vorbei. ER duschte, aß, was ich gekocht hatte, schaute die Nachrichten, nahm seine von mir gewaschene Wäsche mit und fuhr nach Hause.
Über Silvester 2006/2007 besuchte ich eine Freundin. Da die Prinzessin erkrankte, bat ich ihn, mich dort abzuholen. Am späten Abend kam er an, wir wollten die Nacht in der Pension verbringen und am nächsten Morgen nach Hause fahren.
Ich lag in seinem Arm, als ER die alles verändernde Frage stellte: „Wenn wir uns jetzt trennen würden… würdest Du dann noch meine Wäsche waschen? …für mich kochen? – nur theoretisch!“ Kerzengerade saß ich im Bett, fragte mich sogleich, ob ich richtig gehört hatte?! Konnte das sein? Sowas? Auf diese Art und Weise? ER beschwichtigte. Das sei nur eine theoretische Frage. ER wolle es ja nur wissen.
Für mich war dies der Moment, in dem alles vorbei war. Ich verbrachte die Nacht im Bad. Weinte, dachte nach und weinte noch mehr.
Am nächsten Morgen betonte ER immer wieder, dass es so nicht gemeint gewesen sei.
Als wir dann aber bei mir Zuhause waren, gestand ER mir, dass es eine Andere gäbe. Das war ein Schlag ins Gesicht. Und erklärte so vieles. Die vielen Überstunden. Die häufig fehlende Zeit. Das Desinteresse. Die getrennten Wohnungen. Hinterher, da weiß man es immer besser.

Es gab ein Wirrwarr, viel Hin und Her. Wir kamen nach 8 Monaten wieder zusammen, dann trennte ich mich endgültig.

Es folgte eine Zeit, in der wir uns ständig stritten. ER kam die Prinzessin zweimal wöchentlich für jeweils zwei Stunden besuchen. Diese Zeit verbrachte ER bei mir in der Wohnung, an seinem Handy, während die Prinzessin spielte. Jegliche Vorschläge meinerseits wurden laut, ausfallend und unfreundlich beantwortet. Dennoch nahm ich es hin.

Die Zeit verging. Ich zog in die Nähe meines Ausbildungsplatzes. ER kam weiterhin mal mehr, mal weniger regelmäßig zu Besuch. Immer von seinem Beziehungsstatus abhängig.
Bis… ja, bis ER mir zum 3. Mal deutlich ins Gesicht sagte, ich hätte die Prinzessin doch lieber abtreiben lassen sollen. Etwas zerbrach in mir. Meine eben noch fließenden Tränen versiegten, ruhig und mit einer plötzlichen Gelassenheit sagte ich IHM, dass ER nicht kommen müsse. Wir kämen auch ohne IHN zurecht. Ich schmiss IHN aus meiner Wohnung. Sagte IHM, ER könne wiederkommen, wenn ER seine Tochter akzeptiere.
Von da an änderte sich einiges. In mir. Mir wurde urplötzlich bewusst, wieso ich so an IHM hing. Es war gar nicht ER, keine Liebe, die mir fehlten. Es waren Menschen, ganz allgemein. In unserer Beziehung hat ER es nach und nach geschafft, dass ich keinerlei Freunde mehr hatte. Anfangs durch die Aussage „Wenn Du mich liebst, gehst Du jetzt nicht aus„. Freunde verabschieden sich, wenn man nie Zeit für sie hat – das ist ganz natürlich. Später hatte ich ein Kind. Mit 18. Keiner meiner Freunde hatte ein Kind. Oder auch nur Interesse an einem Kind. So trennten sich die Wege.
ER und die Prinzessin – das war alles, was ich hatte. Meine Familie hatte die Prinzessin als Bastardkind bezeichnet, wonach ich den Kontakt endgültig abbrach. Meine Freunde waren weg. Ich kannte niemanden. Hatte niemanden.
Nach und nach wurde mir bewusst, dass ich IHN überhaupt nicht brauchte. Ich kam mit der Prinzessin wunderbar alleine zurecht. Besser noch, ich konnte alles selbst entscheiden. Ich konnte Klamotten kaufen, ohne IHN fragen zu müssen. Ich konnte mich mit Freunden verabreden – und es länger werden lassen – ohne, dass ich Zuhause Ärger zu erwarten hatte. Kurzum: Ich konnte tun und lassen was ich wollte. Selbstständig.


Mittlerweile ist die Prinzessin 9 Jahre alt. Seit 7,5 Jahren kennt sie das Leben ohne IHN. Nur und ausschließlich. In der Zwischenzeit hatte ich eine Beziehung. Dann kam der Liebste. Mit dem wir nun seit 4 Jahren ein wundervolles Leben führen. Als Paar. Auf Augenhöhe. Und das ist einfach herrlich schön.

Auch mit IHM läuft es mittlerweile gut. Unmittelbar nachdem ER anwaltlich dazu gezwungen wurde, endlich einen angemessenen Unterhalt zu zahlen (die Prinzessin war 6!), klagte ER das gemeinsame Sorgerecht ein. Zunächst behalte ich das alleinige, bis ER die gerichtlichen Auflagen erfüllt. Das ist nun fast 2 Jahre her.
Ich habe aufgehört mich aufzuregen. Habe aufgehört IHN ändern zu wollen. Es gibt keine Regelmäßigkeiten im Prinzessinnenbesuch. ER meldet sich, wenn IHM danach ist. ER holt sie alle paar Monate in den Papa-Urlaub. Ich nehme es so hin, wie es ist. Ändern kann ich IHN sowieso nicht.
Die Prinzessin fährt mal mehr, mal weniger gerne zu IHM. Nach wie vor ist ER lieber Zuhause auf der Couch, anstatt unterwegs. Das kennt sie so nicht. Das mag sie so nicht. Häufig beklagt sie sich über die Langeweile bei IHM. Dennoch muss sie zu IHM. Da gibt es keine Optionen, denn trotz allem ist ER der Papa.

Ich für meinen Teil habe die Beziehungsebene verlassen können und bin auf der Elternebene angekommen. Wir sind Eltern. Die Eltern der Prinzessin. Alles was gewesen ist, spielt keine Rolle mehr. Die Prinzessin braucht beide Eltern. Einig. Ohne Streitereien.
Hierhin zu kommen war ein langer, anstrengender Weg und bedurfte eines Lernprozesses. Doch es ist geschafft. Wir sind Eltern.