Schon bevor ich Mutter wurde hatte ich die Angewohnheit pünktlich zu sein. Sehr pünktlich. Immer. 20-30 Minuten vor dem Termin oder vereinbarten Zeitpunkt war ich da. Ich empfand es als äußerst unhöflich, zu spät zu kommen. Immerhin plant mein Gegenüber ja auch seinen Tag und möchte sicherlich nicht warten müssen. Mag ich selbst ebenfalls nicht gerne.
Dann kam Nina auf die Welt und ich fürchtete, dass sich das ändern würde, weil ich das von Eltern öfter hörte. Tatsächlich änderte sich das bei mir aber gar nicht. Ich schaffte es weiterhin immer ohne Verspätung und fand mich ziemlich gut damit. „Alles richtig gemacht“ – dachte ich.
…und dann kamen die Kinder!
Mit Lottes Geburt änderte sich das schlagartig und ich fühlte mich ganz fürchterlich damit. Aber es war auch nichts zu machen. Je mehr Zeit ich einplante, desto später wurde es. Ich packte schon Stunden zuvor die Tasche für sie, stellte alles bereit und dachte, ich müsse nur noch frisch Milch aufkochen, heißes Wasser in die Thermoskanne gießen, das Kind einpacken und los. Tja, Pustekuchen. Lotte machte mir immer einen Strich durch die Rechnung. Naja, fast immer.
War das Baby gefüttert und Abfahrbereit? Zack, spuckte es plötzlich größere Mengen Milch und musste komplett neu angezogen werden. Der Kindersitz mit der Kleinen ist endlich im Auto verstaut? Zack, das Baby knattert die Windel voll. Wieder rein, Baby aus dem Sitz fummeln, Baby ausziehen, Windel wechseln, Baby wieder einpacken und ein neuer Versuch. Oft noch unterbrochen von erneutem Hunger, weil ja nun Luft im Magen war. Selbst wenn wir schon unterwegs waren, gab es öfter Zwischenfälle. Anhalten, weil das Baby sehr brüllte. Anhalten, weil das Baby die Windel voll machte. Anhalten, weil das Baby plötzlich wieder Hunger hatte. Anhalten, weil das Baby alles voll gespuckt hatte. Anhalten, weil das Baby kuscheln wollte. Anhalten, weil das Baby einfach überhaupt keine Lust hatte, jetzt Auto zu fahren. – Es gab unzählige Gründe, wieso die Fahrt unterbrochen werden musste und ich mit einer Verspätung an meinem Ziel ankam.
Verspätung an der Tagesordnung
Und so wurde ich dafür bekannt unpünktlich zu sein. Meist sind es nur ein paar Minuten gewesen – Zeitpuffer sei Dank. Das Höchste aber waren volle zwei Stunden. Ich verpasste sogar das Ja-Wort einer lieben Freundin, weil nicht alles glatt ging, dann noch ein großer Stau dazu kam, es plötzlich wie aus Eimern schüttete und wir am Ende den Eingang nicht zeitig fanden, zu spät aber auch nicht ins Trauzimmer platzen wollten.
Wie sich das anfühlt, als Verspätete? Ziemlich beschissen. Schon beim Ausmachen eines Termins oder einer Verabredung geriet ich in Panik. Schaffe ich es pünktlich? Kommt diesmal wieder was größeres dazwischen? Wie wird mein Gegenüber auf meine Verspätung reagieren, wenn es nicht klappt? Und wie zum Teufel erkläre ich, was da alles schief gelaufen ist? Die meisten haben kein Verständnis dafür, dass es mit einem kleinen Baby nicht immer glatt geht. Weil: SIE haben es ja schließlich auch immer geschafft, so schwer ist das gar nicht! Es liegt nämlich gar nicht am Baby, sondern an der fehlenden Organisation der Mama. So nämlich!
heute: nicht immer pünktlich, aber immer öfter
Mittlerweile ist Lotte älter und so schlimme Verspätungen gehören der Vergangenheit an. Wir können oft sogar ziemlich spontan los, wenn sie das mitmacht, was meistens der Fall ist. Das hätte ich vor einem Jahr noch nicht einmal zu träumen gewagt. Es wurde schon schwierig, wenn Nina anrief und überraschend irgendwo abgeholt werden musste. 30 Minuten Vorlauf waren ein Muss und selbst die reichten oft nicht aus.
Jona ist dahingehend zum Glück ziemlich entspannt. Wenn er satt ist und in einer frischen Windel steckt, können wir einfach los. Wegen ihm hatten wir noch keine einzige Verspätung!
Als Nina auf der Welt war, stimmte ich zu, dass Kinder keine Entschuldigung für eine Verspätung sind. Ich dachte, man müsse alles nur timen und sich eben gut selbst organisieren, dann passt dass schon. Aber Lotte hat mir einmal mehr gezeigt, wie falsch ich mit meinem Denken lag. Sie zeigte mir, dass Kinder sehr unterschiedlich sind und es überhaupt nichts mit „falsch“ oder „richtig“ machen der Eltern zu tun hat. Da kann man als Eltern noch so ein Organisationstalent sein, wenn es nicht läuft, läuft es nicht. So einfach ist das.
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