Vor einem Weilchen fragte McMaren auf Twitter, ob es für Linkshänder so viel schwerer wäre eine Schleife zu binden. Und das war der Moment, in dem ich mir erstmalig bewusst Gedanken zum Thema gemacht habe. Obwohl die große Tochter doch linkshändig ist. Und obwohl es bei uns doch so häufig ein Thema gewesen ist.
Beim ersten Mal sprach mich eine Erzieherin der Tochter an, ob sie Zuhause auch immer alles mit beiden Händen machen würde. Darauf geachtet hatte ich bisher allerdings noch nie, sodass ich nicht viel dazu sagen konnte, es aber von nun an ein wenig beobachtete und mich darüber informierte, wie man herausbekommen kann welche Hand das Kind präferiert, bis wann das fix ist und wie man unterstützend eingreifen kann.
Die große Tochter war damals etwas über 5 Jahre alt und allen Empfehlungen zum Trotz noch nicht festgelegt. Sie malte und schrieb mit links, schnitt mit rechts aus, aß mal mit links und mal mit rechts und wechselte auch ganz allgemein ständig zwischen beiden Händen. Ich wollte sie nicht drängen, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Besonders weil ich noch vor Augen hatte, wie schwer es mein kleiner Bruder diesbezüglich hatte. Ihm wurde von Anfang an suggeriert, dass die linke Hand falsch sei und entsprechend wurde er geschimpft, wenn er diese benutzte. Ende vom Lied war, dass er sich umorientierte und zumeist mit rechts schrieb, in unbeobachteten Momenten dann aber doch die Linke nahm. Mittlerweile ist er gute 20 Jahre alt und Rechtshänder.
Ich achtete nun also bei meiner Tochter besser darauf, wie ich mit dem Thema umging. Zum Malen legte ich ihr die Stifte mittig und stellte den Stifteköcher in die obere Mitte des Schreibtisches. Auch das Besteck legte ich über den Teller. Wenn ich ihr etwas reichte, dann nicht in eine Hand sondern so, dass sie es sich selbst aussuchen konnte. Und meine Tochter wechselte sich weiterhin lustig ab.
Selbst bei der Vorschuluntersuchung nutzte sie beide Hände und Füße. Sie konnte mit links genauso gut schreiben wie mit rechts. Sie hüpfte jeweils auf dem linken und auf dem rechten Bein gleich stabil. Auf Nachfrage sagte die Ärztin, dass ich mir keine Sorgen zu machen bräuchte, das würde schon noch werden. Und wenn nicht, dann sei sie eben beidhändig begabt – na und? Das beruhigte mich, denn mittlerweile war die Händigkeit auch im Elterngespräch ein großes Thema. Die Erzieher äußerten sich besorgt und waren der Meinung, das würde die Tochter ausbremsen und ich solle sie doch in eine Richtung trainieren. Das wiederum lehnte ich ab und bat darum, dass es auch in der Einrichtung berücksichtigt würde.
Alltag als Linkshänder
Doch ist der Alltag als Linkshänder schwieriger? Leichter? Oder gleich?
Ganz allgemein lässt sich das nur schwer beantworten. Da muss wohl jedeR LinkshänderIn sein/ihr eigenes Fazit ziehen. Tatsache ist aber, dass der Alltag auf Rechtshänder ausgelegt ist. Der Chip am Einkaufswagen wird rechts eingelegt, die Spirale am Collegeblock befindet sich links, der Gurkenschäler, die Schaltung des Autos, ein 2-ventilierter Wasserhahn, der Druck auf einer Tasse, Bleistiftspitzer und das Fahrrad sind in der Regel für Rechtshänder ausgelegt, sodass sich die linkshändische Minderheit anpassen muss. Und das beginnt schon im Kindergarten. Standardmäßig sind die Scheren für Rechtshänder in der Überzahl und die für Linkshänder muss erst umständlich erfragt werden – was auch der Grund dafür ist, dass die große Tochter mit rechts schneidet. Im Vorschulunterricht sind die ErzieherInnen für Linkshänder keine große Hilfe, da die meisten selbst Rechtshänder sind. Und auch das Häkeln, Stricken oder Weben ist für Linkshänder eine echte Herausforderung. Selbst in der Grundschule waren viele Dinge nicht ganz so leicht für die große Tochter, sodass sie Strategien entwickeln musste, um besser zu Recht zu kommen. So musste sie darum bitten ans links Ende der Bankreihe gesetzt zu werden, damit sie mit keinem anderen Kind beim Schreiben aneinander stieß. Allerdings saß sie so am Fenster und die linke Hand warf einen Schatten auf das Geschriebene. Hieran musste sie sich einfach gewöhnen. Der vorgeschriebene Buchstabe befindet sich immer auf der linken Seite der Zeile. Beim Nachschreiben wurde er von der linken Hand überdeckt und sie musste es sich entweder merken, immer wieder die Hand heben um nachzusehen oder darum bitten, dass er rechts noch einmal notiert wurde. Und nicht zuletzt die Schwierigkeiten mit dem Füller. Zwar gibt es mittlerweile auch gute Füller für Linkshänder, die Tochter hatte aber immer Probleme sauber und ordentlich zu schreiben. Bis heute hat sie eine (für ihre Begriffe) recht krakelige und schwer leserliche Schrift die – ebenfalls ganz typisch – häufig verwischt ist.
Zumeist mussten Erzieher und Lehrer einfach nur auf die Problematik aufmerksam gemacht werden und fanden dann eine gute Lösung für die Tochter. Doch manchmal trifft man auch heute noch auf Unverständnis. So z.B. die betagte Lehrerin in Kunst, die der großen Tochter nicht verständlich zeigen konnte, wie sie mit Links häkeln kann und ihre teilweise spiegelverkehrten Kunstwerke schlechter bewertete, als andere.
Ein Segen ist dahingehend der Liebste, denn er ist ebenfalls Linkshänder und kann der Tochter Hilfestellung geben, wo ich es nicht kann. Wenn ich ihr etwas zeige und „Genau so. Nur spiegelverkehrt.“ sage, bringt es ihr herzlich wenig. Kann der Liebste die Schleife aber z.B. mit Links (vor)binden oder mit Links das Häkeln vormachen, so kann sie sich das genau ansehen und deutlich besser nachmachen.
Mittlerweile ist die große Tochter fast 10 Jahre alt und definitiv Linkshänderin. Zumindest was das Schreiben und die allgemeine Präferenz angeht. Dennoch schneidet sie mit rechts und hat die Computer-Maus lieber auf der rechten Seite. Sie bekommt das Besteck und das Glas beim Essen links hingestellt, ihr Schreibtisch ist auf sie eingestellt und beim Rest wurschtelt sie sich einfach durch, ist teils flexibel und arrangiert sich. Nur das Schleife binden ist immer noch nicht perfektioniert. Nach wie vor ist die Schleife der großen Tochter sehr lasch/locker und kaum als solche zu erkennen.
Übrigens kann ich nicht bestätigen, dass Linkshänder künstlerisch besonders begabt sein sollen. Weder der Liebste noch die große Tochter können besonders gut malen. Dafür haben sie jeweils eine sehr kreative Problemlösung und sind handwerklich begabt.
Huch, ich habe einen Denkanstoß gegeben. ;) Ich finde das sehr interessant, das zu lesen. Es ist natürlich einfacher, wenn man etwas genau vorgemacht bekommt.
hi, ich bin auch so ein Mischmasch… also schreiben und malen, trinken, essen mit links, schneiden tue ich aber auch mit rechts. mir wurde es immer komplett freigestellt und selbst überlassen wie ich damit umgehe und so habe ich mich eben darauf eingestellt. was mich manchmal nervt sind die von dir genannten Collegeblock Lochungen, das Verwischen von Geschriebenem und diese Soßenkellen mit Tülle, die funktionieren nur mit rechts ;-) aber dass ich es schwerer hätte als andere? nee eigentlich nicht. nach Möglichkeit setze ich mich eben an das linke Ende des Tisches, stelle mein Glas da rüber und gut ist. Schleife binden geht auch mit rechts, häkeln ebenso. habe mir da nie groß Gedanken drüber gemacht und bin damit immer gut gefahren, vieles geht dafür eben auch mit beiden Händen. hat auch was :-)