Reboarder - das Einhorn unter den Kindersitzen - www.Helden-Familie.de

Der Thema Reboarder ist eins, das mir besonders am Herzen liegt, denn: Er ist viel zu wenig verbreitet, wird oft belächelt und vorverurteilt und ist doch eine so wichtige und gute Entwicklung in der Bandbreite der Kindersitze! Egal wo ich unterwegs bin, bisher hab ich keinen in „freier Wildbahn“ entdeckt und lese nur im Internet davon, dass viele Kinder im Reboarder mitfahren. Stattdessen belächeln uns viele, die den rückwärts gerichteten Sitz von Lotte sehen und schmeißen mit (unwahren!) Vorurteilen nur so um sich.

Reboarder – was ist das eigentlich?

Ein Reboarder ist – wie schon der Name verrät – ein rückwärts gerichteter Autositz für Kinder, in dem das Kind entgegen der Fahrtrichtung sitzt. Es gibt ihn in den Gruppen 0/1+ und 2. Der Transport in einem Reboarder geht meistens bis das Kind ca. 4 Jahre alt sind. Allerdings ist das immer abhängig vom jeweiligen Modell und der Befestigungsart. Reboarder mit Isofix-Befestigung sind von 9 bis 18 kg zugelassen. Wird der Sitz mit dem Gurtsystem des Autos befestigt, sieht es anders aus. Da sind die Sitze von 9 bis 25 kg zugelassen und somit länger nutzbar. So sind der Axkid Rekid* (mit Isofix) oder der Axkid Minikid* (gegurtet) beispielsweise bis zum Alter von ca. 6 Jahren rückwärts verwendbar!

Die meisten Eltern lassen ihr Baby in einen vorwärts gerichteten Folgesitz umziehen, sobald es die 9-kg-Marke geknackt hat und wissen gar nicht, dass es mittlerweile ganz andere Empfehlungen gibt. Außerdem ist vielen auch gar nicht bewusst, dass sie so früh noch gar nicht in den Folgesitz wechseln müssen. So kann – und sollte – ein Baby auch über die 9-kg-Marke und das selbstständige Sitzen hinaus in der Babyschale transportiert werden. Erst wenn der Gurt an den Schultern „von unten“ kommt oder der Kopf oben raus guckt, ist ein Umzug wirklich zwingend. Doch ein vorwärts gerichteter Sitz widerspricht trotzdem allen Erkenntnissen zum sicheren Transport von Kindern.

Warum ist ein Reboarder sicherer?

Reboarder - der Kopf eines Kleinkinds macht den Großteil seines Körpergewichts aus - Häufigkeit von Crashs

Bis Kinder etwa 4 Jahre alt sind, ist es für sie 5x sicherer im Reboarder mitzufahren. Beim Kleinkind macht das Gewicht des Kopfes bis zu 25% seines Körpergewichts aus. Dieser wird bei einem Frontalcrash – was mit 59% die häufigste Variante eines Unfalls ist – mit sehr starker Wucht nach vorne geschleudert. Nackenmuskulatur und Wirbelsäule werden außerdem erst bis zum Alter von 4 Jahren vollständig ausgebildet und einer extrem hohen Belastung ausgesetzt, die zu schweren Folgeschäden führen kann.
Im Reboarder wirkt die Kraft des Aufpralls deutlich weniger auf den Kopf und Nacken, als es im vorwärts gerichteten Sitz der Fall ist. Das Kind wird in den Sitz gedrückt und ist so deutlich geringeren Belastungen ausgesetzt.

Reboarder - die Auswirkung der Kräfte bei einem Frontalcrash ist deutlich geringer

Sehr eindrucksvoll fand ich ein Video auf YouTube, das den Unterschied wirklich deutlich macht.

Andere Länder, andere Sitten.

Interessant finde ich auch, dass in skandinavischen Ländern deutlich mehr Kinder im Reboarder transportiert werden, als es bei uns in Deutschland der Fall ist. Ganze 90% nämlich, obwohl es keine Vorschrift ist. Und dort spricht die Unfallstatistik für sich. Seit 40 Jahren ist in Schweden kein einziges Kind (!) in einem Reboarder gestorben! Bei uns dagegen schnellen die Zahlen verletzter Kinder bei einem Unfall im Folgesitz deutlich in die Höhe.
Alleine die Grafik links spricht für sich. Während sich in Schweden die Anzahl der verletzten Kinder in den Altersgruppen 1 und 2 nur knapp verdoppelt hat, sind es in Deutschland dreieinhalb bzw. zweieinhalb Mal so viele Verletzte!

Ich bin kein Freund von Panikmache – keine Frage – aber u.A. diese Grafik hat mich dazu bewogen mich mit dem Thema Reboarder näher auseinander zu setzen. Auch mein Mann war schnell mit im Boot und so kam für uns ein vorwärts gerichteter Folgesitz einfach nicht (mehr) in Frage. Wir wollen unsere Kinder so lange wie nur irgend möglich im Reboarder transportieren.

Ja, aber…

Obwohl Reboarder immer bekannter werden und in meiner Online-Bubble die meisten Kinder rückwärts fahren, habe ich weder im Freundes- und Bekanntenkreis, noch generell im Vorbeigehen an anderen Autos einen solchen Sitz entdecken können. Es scheint, als sei es wie mit einem Einhorn: Ein Fabelwesen, das sich nicht gerne zeigt.
Umgekehrt musste ich unsere Transportweise schon oft verteidigen, denn es gibt ganz viele „Ja, aber“’s. Die meisten davon kann-muss-darf ich entkräften:

Ja, aber das ist doch viel zu eng. Wo sollen denn die Füße hin? Da habt Ihr nicht lange was von!

Es sieht enger aus, als es ist, denn das Kind muss die Füße ja nicht ganz ausstrecken. Es kann im Schneidersitz sitzen, es kann die Beine über die Rückenlehne hängen. Außerdem endet die Sitzfläche des Reboarders nicht an der Rückenlehne des Autos, sodass das Kind genügend Platz hat, seine Füße in diesem Zwischenraum abzustellen.

Ja, aber sie sieht doch nix?! Das macht sie nicht lange mit!

Und was ist mit der Sicht aus der Heckscheibe? Fährt das Kind vorwärts mit, kann es nach links und rechts durch die Seitenfenster schauen und sieht beim Blick nach vorne nur Rückenlehnen und Kopfstützen. Wenn es im Reboarder fährt, sitzt es erhöht und kann zudem auch noch aus der Heckscheibe gucken. Außerdem bleiben die Objekte bei dieser Aussicht länger im Blickfeld und rauschen nicht so schnell vorbei. Ein Plus für das kleinere Kind.

Ja, aber ihr wird doch beim rückwärts fahren schlecht!

Wenn jemandem beim Autofahren schlecht wird, dann in der Regel sowohl vorwärts, als auch rückwärts gerichtet. Wenn das Kind sich nicht in der Babyschale übergeben hat, spricht nichts dafür, dass es das im Reboarder tun wird. Sicherlich gibt es Ausnahmen, die sind dann aber medizinischer Natur.

Ja, aber der Sitz nimmt doch viel zu viel Platz ein, der würde gar nicht in meinen (Klein)Wagen passen!

Reboarder sind genauso breit wie andere Kindersitze und passen ebenso gut auf einen Sitz, wie es ein vorwärts gerichteter tut. Ein Problem kann er im Kleinwagen tatsächlich sein, wenn dann der vordere Sitz nicht mehr ganz zurück geschoben werden kann. Aber das betrifft oft auch schon die Babyschale. Ich war häufig überrascht, welche großen Reboarder in zweitürige Kleinwagen gut passen. Da hilft nur ein guter Händler mit fachkundiger Beratung. Dort wird der Sitz vom Fachmann zur Probe eingebaut, sodass jeder den für sein Auto passenden Sitz findet.

Ja, aber der ist doch viel zu teuer, wie will man sich denn sowas leisten?

Hier kann ich nur zustimmen: Ja, die Sitze sind schweineteuer. Die Fertigung ist aufwändig und das lässt sich der Hersteller entsprechend bezahlen. Es gibt Reboarder für unter 200 Euro, nach oben ist das Ende nahezu offen. Wir wählten tatsächlich einen aus der oberen Preisklasse, weil uns dieser Sitz überzeugt hat. Und ja, wir mussten ein Weilchen darauf sparen, aber da uns vorher bewusst war, dass nur ein Reboarder in Frage kommt, haben wir damit schon in der Schwangerschaft begonnen und so war das kein Problem.
Übrigens: Der Wiederverkaufswert eines Reboarders ist ebenfalls ziemlich hoch. Vorausgesetzt natürlich, dass er unfallfrei ist und gut gepflegt wurde.

Fazit & unsere Erfahrung

Wie bei jedem Kindersitz, gibt es auch beim Reboarder Vor- und Nachteile. Stellt man aber die Sicherheit in den Fokus, sollte jedeR zuerst einen Reboarder in Erwägung ziehen.

Vorteile
  • die sicherste Art sein Kind im Folgesitz zu transportieren

  • lässt sich – Dank Isofix – einfach befestigen

  • das Kind sitzt erhöht und hat freie Sicht durch die Heckscheibe

Nachteile
  • sehr hoher Anschaffungspreis
  • Blickkontakt kann nur durch einen extra Spiegel hergestellt werden
  • bei Befestigung mit Gurten häufig tricky, dadurch kommt es zu Einbaufehlern (vom Fachhändler zeigen lassen!)

Ich kann wirklich jedem nur raten, einen Fachhändler aufzusuchen und sich bei der Wahl des Folgesitzes gut beraten zu lassen. Bei einem guten Händler werdet Ihr unterschiedliche Sitze finden, er wird Euer Fahrzeugmodell und Eure Wünsche berücksichtigen und eine Auswahl guter Sitze präsentieren. Und er wird Euch die Sitze zur Probe einbauen, damit Ihr sehen könnt, wie sich der Sitz in Eurem Auto macht.

Wir sind damals für Lottes Sitz knapp zweihundert Kilometer zu den Zwergperten gefahren und wurden wirklich gut beraten, aber über unseren Sitz möchte ich Euch ein anderes Mal mehr erzählen, das würde sonst den Rahmen hier sprengen. Nur so viel vorweg: Lotte fährt seit über einem Jahr im Reboarder und wir haben diesen Kauf nicht bereut. In der Babyschale brüllte sie, während sie im Reboarder höchstens nörgelte. Heute ist sie fast zwei Jahre alt und fährt sogar richtig gerne Auto, auch wenn ich als Fahrerin schon Mal gerne ein wenig mehr Ruhe hätte, denn sie kommentiert alles was sie sieht. ALL-ES!

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