Schlüssel. Handy, OGS-Vereinbarung

Als ich damals das Ding mit meinem Abitur angefangen habe, passte alles zeitlich noch ganz gut. Meine Tochter hatte gerade in die 2. Klasse gewechselt und kam gut zurecht, mein Stundenplan war familienfreundlich. 8 Schulstunden gab es nur ein Mal in zwei Wochen und an diesem Tag hat Frau Schwiegermutter Nina mitgebracht, da das auf dem Weg lag. Im 2. Semester häuften sich die 8-Stunden-Tage und es wurde stressig. Nach Hause/zur Grundschule brauche ich ca. 45 Minuten. Wenn ich aber erst um 15.30 Uhr frei habe und Nina bis 16.00 Uhr abgeholt sein muss, dann wird es arg knapp. Häufig war ich zu spät, unheimlich rasen musste ich immer.

Nun, im 3. Semester habe ich noch häufiger 8 Schulstunden und musste mir was einfallen lassen. Ständig mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs sein, das kann ja keine Dauerlösung sein.

Es gab da anfangs auch einen ganz einfachen Plan: der Mann. Er ist in Kürze fertiger Bachelor und wollte sich dann von der Bonner Uni lösen und hier im Umkreis was machen, es fielen also 3 Zugstunden pro Tag und Strecke weg. Leider (oder auch zum Glück) hat sich für ihn nun aber eine einmalige Chance ergeben, sodass er für einige Zeit von der Uni Bonn angestellt wird.

Mein Betreuungs-Plan-B ist also aus dem Rennen. Wir überlegten hin und her. Mit anfangs großen Bauchschmerzen steuerten wir dann die einzige andere Möglichkeit an: Nina muss alleine laufen.
Die Schule ist nur etwa 20 Kinderminuten von Zuhause entfernt, es müssen aber 2 stark befahrene Straßen überquert werden. Das hat sie nun in den letzten Monaten ausführlich mit Mo geübt.

Regeln für das Schlüsselkind

Doch es gab noch mehr zu klären:
Ein eigener Haustürschlüssel
Wenn sie alleine nach Hause läuft, benötigt sie natürlich auch einen eigenen Haustürschlüssel. Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Schlüsseldienst hatten wir dann die passenden Exemplare. Die Prinzessin übte einige Male in meinem Beisein die Tür zu öffnen, es klappte gut. Wir fanden einen idealen Platz im Tornister, sodass er nicht verloren gehen kann (Karabinerhaken). Wir besprachen außerdem was zu tun ist, wenn sie mal Schwierigkeiten haben sollte die Türe zu öffnen.
Ein eigenes Handy
Eigentlich halte ich nichts davon, wenn eine 8-jährige schon ein eigenes Mobiltelefon besitzt und wollte mit diesem Schritt so lange wie möglich warten. Aber die Umstände erfordern diese Maßnahme.
Mir ist es aber sehr wichtig die Prinzessin jederzeit erreichen zu können, wenn sie alleine unterwegs ist. Umgekehrt soll sie auch jederzeit anrufen können, wenn sie in irgendeiner Weise unsicher sein sollte oder einfach kurz jemanden zum Reden braucht. Sie soll wissen, dass immer jemand da ist – auch wenn eben nur per Telefon.
So bekam sie das Handy einige Tage bevor es ernst wurde. Ich speicherte ihr die wichtigsten Telefonnummern ein, zeigte ihr, wie sie telefoniert oder eine SMS schreibt und schnell gewöhnte sie sich an die Technik. Mittlerweile möchte sie den integrierten Wecker nutzen, weil das viel cooler ist, als wenn man von Mama geweckt wird. *seufz*
Eine neue OGS-Vereinbarung
Jedes Schuljahr muss ich in der OGS einen Zettel ausfüllen. Dort gebe ich an, ob die Prinzessin nur in Begleitung nach Hause gehen darf, auch alleine und ob sie zu einer bestimmten Uhrzeit los gehen soll. Bislang war die Angabe immer, dass sie nur in Begleitung nach Hause gehen darf. Nun musste ich das natürlich auch abändern. Ich habe mich mit ihr auf eine Uhrzeit geeinigt, zu der sie losgehen kann. Spätestens aber um 16 Uhr dann.
Regelungen
Zu all den materiellen Dingen, die da abgehakt werden mussten, standen noch einige andere Dinge an. Unsere „Was ist, wenn…?“’s.
Wenn es an der Türe oder das Telefon klingelt – nicht drangehen.
Wenn sie Besuch möchte – kein Besuch wenn sie alleine ist.
Wenn sie sich verabreden möchte – Tag vorher klären oder anrufen.
Wenn sie Hunger/Durst/sonstwas hat – alles erlaubt, aber Finger weg vom Herd.
Wenn sie Fern sehen möchte – 30 Minuten, höchstens.
Wenn sie raus (in den Garten) möchte – Zettel oder SMS schreiben.

Egal was ist – anrufen ist immer erlaubt!

Und dann war es so weit, die Prinzessin sollte alleine gehen. An den ersten Tagen war noch jemand Zuhause, sodass etwaige Schwierigkeiten im Ernstfall direkt behoben werden könnten. Und tatsächlich, am ersten Probetag klingelte ein tränenüberströmtes Prinzesschen an der Türe: Sie bekam ebendiese nicht auf. Die liebe Nervosität im Einklang mit dem sehr schnell zur Verzweiflung neigenden Kind.
Wir übten es noch ein paar Mal und es klappte dann wunderbar. Sie stellte fest, dass sie wirklich nicht alleine da steht, wenn es Probleme gibt und gewann schnell an Sicherheit im Umgang mit der Verantwortung.

Jetzt – gute 2 Wochen später – ist sie sehr glücklich darüber, wenn sie etwas Zeit alleine Zuhause verbringen darf und fragt immer, ob ich nicht endlich wieder 8 Stunden habe. Die anfängliche Unsicherheit ist passee und sie ist selbstsicher(er) geworden. Mal alleine sein, das kannte sie schon. Wenn ich im Dorf schnell was einkaufen wollte. Oder den Liebsten vom Bahnhof abholen. Dann blieb sie immer schon gerne mal alleine. Doch da war ich direkt greifbar, innerhalb von spätestens 15 Minuten zurück. Jetzt aber bin ich weiter entfernt und brauche länger, sollte es mal einen Notfall geben. Allerdings ist sie in der Regel auch jetzt nur 15 bis 30 Minuten alleine und hat immer die Möglichkeit nach nebenan zu gehen, da wohnt nämlich die Schwiegerfamilie und kann sie im Notfall unterstützen.

Mein kleines Mädchen ist jetzt ganz groß und ich, die Mama, kann gar nicht glauben, wie weit wir nun schon mit der Selbstständigkeit sind. Geplant war das Ganze nämlich erst für die 4. Klasse, frühestens. Und jetzt muss ich doch so plötzlich loslassen und mein kleines Mädchen ziehen lassen.