Drei völlig unterschiedliche Schwangerschaften erlebte ich und genauso war auch jede einzelne Geburt: individuell. Obwohl sie alle drei in einem Kaiserschnitt endeten, war der Weg dahin, mein Empfinden und meine Gefühle vor, während und nach der jeweiligen Geburt ganz unterschiedlich.

Die 1. Geburt – wenn das keine Wehen sind, will ich nicht

Die Schwangerschaft schritt voran und ich hatte keine Ahnung, dass es durchaus sinnvoll sein könnte mal ein Buch darüber zu lesen, wie eine Geburt so aussieht. Ich las zu Beginn zwar einige Geburtsberichte, die waren aber durchweg kurz und komplikationslos und so war ich überzeugt davon, dass es schon klappen würde. Schließlich gebären Frauen nun einmal Kinder. Schon immer.
Auch auf einen Geburtsvorbereitungskurs verzichtete ich, hier aber aus finanziellen Gründen (Ich hätte die Gebühren vorstrecken und dann bei der Krankenkasse die Übernahme beantragen müssen.). Außerdem waren die angebotenen Kurse immer für Paare und mein damaliger Partner wollte keinen Kurs besuchen.

Einleitung in der 40. Woche – Danke, nehm‘ ich!

Als die Ärzte der Klinik signalisierten, dass sie an 39+1 eine Einleitung starten wollten, stimmte ich bereitwillig zu. Ich hatte insulinpflichtiges Diabetes, ständig starke Schmerzen und konnte mich in den letzten 3 Monaten kaum bewegen. Erst in der 2. Schwangerschaft erfuhr ich, dass das der Ischias und/oder die Symphyse war und es dagegen durchaus etwas gegeben hätte. Stattdessen sagte meine Ärztin nur, das sei normal und man könne da nichts machen, außer durchhalten.

Doch durchhalten war aufgebraucht, ich wollte ein Ende und so ließ ich mich bereitwillig darauf ein.

Die Einleitung war eine Katastrophe, weder Ärzte noch Hebammen klärten mich auf, was nun folgen würde und so erlebte ich alles nur, spazierte viel – mit starken Schmerzen – und musste mir doch anhören, ich solle mich mal zusammenreißen und das durchstehen.

Das sind keine Wehen, das ist das Vorspiel!

und

Stellen Sie sich mal nicht so an, die eigentliche Arbeit kommt noch!

hörte ich oft von den Hebammen, jedes Mal, wenn sie in den 2 Tagen der Einleitung denn mal ins Zimmer kamen. Das war ebenfalls ein Problem: Ich war zum Großteil alleine. Die Hebamme kam auch nachdem die Fruchtblase geplatzt war nur alle 1-2 Std. und so kämpfte ich mich alleine durch. Der Wehentropf am zweiten Tag hatte sie zum Platzen gebracht, die Schmerzen wurden schlimmer, kaum erträglich und ich bat um eine PDA. Die Pause nutzte ich, um ein wenig zu schlafen. Zwischenzeitlich waren Ninas Herztöne immer wieder richtig schlimm unten, was ich aber nur am Rande mitbekam. Es fiel erst am Ende auf, als der Chefarzt rein kam, sich das CTG ansah, mich untersuchte und direkt einen OP orderte. Viel bekam ich davon aber nicht mit, die Wirkung der PDA hatte nachgelassen und das Nachspritzen brachte keine Linderung mehr. Immer wieder driftete ich weg, war gefangen im Schmerz und bekam nicht mit, was um mich herum passierte. Irgendwas unterschreiben, Lichter die über mir schnell davon glitten…
Mutter sein - damals und heute: Geburt - Nina ist da!

Das nächste, woran ich mich erinnere war die Fahrt zurück in den Kreißsaal. Jemand drückte mir mein Baby in den Arm, viele Menschen standen herum. Onkel, Tante und Cousine, Oma, Opa, beide Paten, Stiefoma mit On-Off-Freund und meine Halbschwester. Während dessen versuchte ich wach zu werden, wieder klar zu denken. Alle redeten, wollten etwas von mir. Soll Nina Glukose bekommen, wegen des Diabetes? Wie findest Du die Hose? Wann gehst Du nach Hause? Wie war die Geburt? Schluck Sekt? – Als sie endlich gingen, war ich unheimlich erleichtert. Müde und ausgelaugt, noch völlig überwältigt von den Geschehnissen, aber erleichtert.

Wochen und Monate später ließ mich ein Gedanke nicht zur Ruhe kommen: Alle haben Nina vor mir kennen gelernt, ich war die Letzte. Der Papa badete sie, die Oma hielt sie, der Opa schoss Fotos und meine Stiefmutter, ihr Freund, meine Halbschwester – alle schauten vor mir in dieses kleine Gesichtchen, sagten Hallo und begrüßten sie auf der Welt. Der Gedanke tat mir unheimlich weh und ich hatte Angst, keine gute Bindung zu ihr aufbauen zu können.

Wunsch vs. Wirklichkeit

Grade heute, mit dem Wissen, das ich jetzt habe, hätte ich mir die 1. Geburt anders gewünscht. Aufklärung statt Stigmatisierung. Echte, gute Begleitung statt Schubladendenken, keine blöden Kommentare und all das, was eine junge Mama nur verunsichern kann.
Ich habe lange gebraucht um die traumatische Geburt zu verarbeiten, um einzusehen, dass die Geschehnisse nicht mein Fehler waren, dass es nicht an mir lag. Jahre, um genau zu sein.

Die 2. Geburt – Selbstbestimmt in entspannter Atmosphäre

In der 2. Schwangerschaft informierte ich mich über alles mögliche. Ich las viel, hinterfragte und hörte auf mein Bauchgefühl, was der richtige Weg für uns ist. Deshalb und weil bei der 1. Geburt alles schief lief, wollte ich auf keinen Fall eine Einleitung. Zwar war das immer mal wieder Thema, weil Lotte so groß und schwer geschätzt wurde, aber da das alles nur ungefähre Angaben sind, machte ich mich nicht verrückt und bestand darauf, dass Lotte den Startschuss gibt.

Wehenbeginn – ich hab es doch bemerkt

Eine große Sorge manifestierte sich am Ende der Schwangerschaft: Werde ich es bemerken, wenn die Wehen einsetzen? Ich hatte ja keine Ahnung, wie sie sich anfühlen und so wusste ich nicht so recht, was da kommen wird. Von überall hörte ich, ich würde es schon merken, wenn es echte Wehen sind, aber so recht glauben konnte ich das nicht.

Tatsächlich behielten aber alle recht: Ich brauchte zwar ein Weilchen, bis ich die Regelmäßigkeit bemerkte, doch dass das echte Wehen waren und die Geburt los geht wurde mir ziemlich schnell klar. Und da Lotte den Startschuss gab, während ich Zuhause war und Alltagskram erledigte, fühlte ich mich absolut gut damit. Ich freute mich über jede Wehe, die ich in der App aufzeichnen konnte und war ganz euphorisch, Lotte wirklich selbst gebären zu können.

im Krankenhaus mit einer ♥-Hebamme

Nach der 1. Geburt war ich Hebammen gegenüber skeptisch eingestellt und hatte Angst, dass ich wieder so eine erwischen würde. Als sie mich beim ersten Kontakt herrisch zusammenstauchte, befürchtete ich schon, dass ich auch diesmal so ein Pech haben würde, aber es kam anders. Sie entpuppte sich als ein Herz von Mensch und wir verbrachten tolle Stunden im Vorwehenzimmer und später im Kreißsaal. Ich war ganz traurig, als sie uns morgens den Dienstwechsel ankündigte und die neue Hebamme vorstellte.
Mutter sein - damals und heute: Geburt - Lotte ist da!

Selbstbestimmt zum Babykuscheln

Heute weiß ich, wie eine gute Hebammenbetreuung unter der Geburt aussieht. Und ich weiß, was eine selbstbestimmte Geburt ist, auch wenn Lotte ebenfalls per Kaiserschnitt zur Welt gekommen ist. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, ich müsse irgendwas. Ich konnte bestimmen, ob ich laufe oder liege. Ob ich auf dem Petzi-Ball sitze, oder mich an ein Seil hänge. Selbst als der Arzt uns den Kaiserschnitt empfahl, hatte ich nicht das Gefühl übergangen zu werden. Obwohl es schnell gehen musste, sprachen wir darüber und er erklärte mir kurz, was Sache ist.
Manchmal hadere ich dennoch mit dieser Entscheidung und frage mich, ob es nicht doch einen anderen Weg hätte geben können. Waren Lottes Herztöne wirklich so schlecht?

Die 3. Geburt – Déjà-vu: wieder eine Einleitung

Vor der 3. Geburt hatte ich Ängste, die nicht meine waren. Zwar war ich anfangs noch völlig überzeugt von meiner Entscheidung, es nochmal auf natürlichem Weg zu versuchen, doch nach zwei vorangegangenen Kaiserschnitten gab es nun einmal auch Risiken, die einfach da waren. Ich versuchte mir dennoch immer wieder bewusst zu machen, dass auch ein Kaiserschnitt nicht der sichere(re) Weg ist und auch da einiges passieren kann.

Einleitung – der Horror wiederholt sich

Als klar war, dass ich den Termin am Entbindungstermin in der Klinik würde wahrnehmen müssen, war ich unheimlich enttäuscht. Wieder eine Einleitung. Wieder konnte-wollte mein Körper den Startschuss nicht selbst geben – warum? Bei Lotte hat das doch so gut geklappt und ich war voller Hoffnung, dass auch die 3. Geburt von selbst startet. Stattdessen kam Jona erst am 6. Tag im Krankenhaus auf die Welt.
Die Einleitung zermürbte mich, ließ mich immer wieder an mir selbst zweifeln und stellte die gesamte Idee des 3. Versuchs in Frage. Ich sah es schon fast als Omen, dass ich es lieber nicht versuchen sollte.

Nachdem sich endlich was getan hatte und ich an den Wehentropf gehangen wurde, war ich erst guter Dinge. Immerhin öffnete sich der Muttermund und es ging voran, auch wenn langsam. Das ist doch ein gutes Zeichen?! Doch leider änderte sich das im Verlauf. Wieder sprang mein Körper nur mäßig auf den Tropf an, wieder öffnete sich der Muttermund langsam und ich begann zu zweifeln.

Bei der letzten Untersuchung war der Muttermund plötzlich bei 9 cm und ich war absolut euphorisch. NEUN ZENTIMETER, das sind fast 10 und bei 10 kommen die Babys doch! Ich freute mich so sehr, dass ich gar nicht hören wollte, was die Ärztin da noch sagte. Dass der Wulst aber noch steht, dass das Köpfchen noch abschiebbar und falsch positioniert ist, dass der Muttermund dennoch nicht geburtsreif ist und sich eher schließt. Ich dachte das schaffe ich schon! Nur noch EINEN Zentimeter, dann ist mein Baby fast da. EINER!

Ängste, wie ich sie noch nie hatte

Doch so einfach war das nicht. Jonas Herztöne wurden katastrophal, viel schlimmer, als es bei Nina oder Lotte der Fall war und ich konnte gar nicht glauben, was da passierte. Wieder passierte. Zum 3. Mal! Wie kann das sein? Wieso senken sich meine Kinder nicht ins Becken? Warum bleibt das Köpfchen abschiebbar? Und warum zum Teufel schmieren die Herztöne ab? Was stimmt denn mit mir nicht, dass das nicht funktioniert? Das natürlichste der Welt!

Ich fühlte mich betrogen. Von meinem Körper verarscht. Er gaukelte mir vor, alles würde schon klappen und am Ende blieb es beim Alten. Ich fragte mich, ob meine Ängste dafür verantwortlich waren? Ob ich zu viel angenommen habe? Oder ob das anatomisch nicht geht? So oder so: Ich habe keins meiner 3 Kinder auf natürlichem Wege – selbst – gebären können und das macht mich von Zeit zu Zeit fertig.
Mutter sein - damals und heute: Geburt - Jona ist da!Auch bei dieser Geburt hatten wir die Entscheidung, wie es weitergehen soll. Ob wir es nochmal 2 Std. versuchen.
Manchmal frage ich mich, ob die 2 Stunden nicht doch die Lösung gewesen wären? Dann sehe ich mir das Bild vom CTG nochmal an und bin geerdet. Ich weiß, dass das Risiko einfach zu groß gewesen ist. Dass Jona deutlich gezeigt hat, dass ihm das alles zu viel ist. Und ich bin froh, dass er nach der Geburt in meinem Arm und nicht auf der Intensivstation gelandet ist.

3 Geburten, 3 Kaiserschnitte, 1 Trauma

Nach Ninas Geburt habe ich lange gehadert und es nicht verstehen können, wie es dazu gekommen war. Auch Jahre später fragte ich mich, wie die Geburt mit einer guten Begleitung wohl verlaufen wäre? Ob ich es geschafft  hätte, wenn eine gebärfreundliche Atmosphäre geherrscht hätte. Und ich hinterfrage meine Naivität immer wieder, kann nicht verstehen, wieso ich mich nicht mehr informiert hatte, wieso ich nicht selbstbewusst für mich eingestanden bin. War es das Alter? Die Unerfahrenheit? Das miese Gefühl, das sich schon durch die Schwangerschaft gezogen hatte?

Bei Lottes Geburt war klar: Der Kaiserschnitt muss sein. Doch hinterher war ich mir dessen nicht mehr sicher. Sanken ihre Herztöne unter oder nach den Wehen so ab? Wie lange waren sie so niedrig? Auch hier fühlte ich mich betrogen, als hätte man mir ein Geschenk vor die Nase gehalten und es kurz bevor ich es mir nehme, einfach entrissen. Immerhin war der Muttermund 8 cm  geöffnet. Doch ich bin froh und dankbar für die wunderbare Begleitung durch die Hebamme. Die Nacht mit den Wehen verging wie im Flug mit ihr und wir hatten schöne Stunden im Kreißsaal – das hatte ich nicht mehr für möglich gehalten.

Jonas Geburt endete am dramatischsten und bleibt mir auch am eindrücklichsten in Erinnerung. Wenn ich mir das CTG ansehe, spüre ich wieder die Angst um ihn, sehe die hektischen Blicke der Ärzte, das Davonrauschen der Hebamme und weiß nicht so recht, was ich fühlen soll, fühlen darf. Ich wollte es unbedingt natürlich versuchen und scheiterte. Dabei weiß ich nicht, ob ich etwas falsch gemacht habe, ob es die äußeren Umstände waren oder ob mit meinem Körper irgendwas nicht stimmt. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus allem?

Rückblickend ist Lottes Geburt diejenige, an die ich mich am liebsten erinnere. Die Betreuung im Kreißsaal war ein Traum, die Hebamme war immer greifbar und ließ uns nie länger alleine, spätestens alle 20 Minuten schaute sie nach mir. Bei Jona hab ich gemischte Gefühle, wenn ich an die Geburt denke. Überfüllte Geburtsstation, 4 große Kreißsäle und mehrere kleine – alle gefüllt mit wehenden Frauen. Die Hebamme kam nur rein, wenn was war, die Ärzte sah ich etwa alle 2 Stunden. Grundsätzlich war die Betreuung okay, aber gefühlt eben nicht so geborgen, wie ich es mir gewünscht hätte.

In dieser Reihe erschien auch: